: Ein liebenswerter Tropf
■ Die Blattlaus, 28.10., 21.25 Uhr, Südwest 3
Der Maurer Walter Zielinski ist nicht unbedingt der Schnellsten einer. Weder bei der Arbeit noch im Denken. Ein notorischer Spätzünder, der über Witze erst mit Verspätung lacht. Und wenn er selbst mal einen zum besten gibt, hat der meist einen ellenlangen Bart. Walter wohnt mit 40 noch immer mit seinen Eltern in einer Dortmunder Zechensiedlung. Ein gutmütiger Tropf, den die ständigen Hänseleien seiner Kollegen nicht mehr sonderlich aufregen. Denn eigentlich ist Walter mit sich und der Welt durchaus zufrieden. Es könnte eigentlich immer so weitergehen. Als man ihm eines Tages kündigt, gerät Walters beschauliches Leben durcheinander. Er trabt weiterhin jeden Morgen zur Baustelle und bietet dem Polier sogar an, umsonst zu arbeiten. Aber dann kommt doch alles raus. Während Walter nun den ganzen Tag verzweifelt vor sich hingrübelt und gar an Selbstmord denkt, setzt sein Vater alle Hebel in Bewegung, um dem Nesthocker wieder einen Job zu verschaffen. Verständnis findet Walter nur bei seiner zehnjährigen Nichte, die die Sommerferien bei Oma und Opa verbringt. Dank ihrer Hilfe erwacht er allmählich wieder aus seiner Lethargie und beginnt Pläne zu schmieden. Walter will Unternehmer werden... Claudia Prietzel ist mit ihrem ersten Spielfilm eine überaus eindrucksvolle Komödie gelungen. Da stimmt eigentlich alles. Eine hübsche Geschichte mit soviel „Realismus“, daß man ihr gern folgt! Präzises Timing mit ausreichend „Zeit“ für nette Episoden am Rande, überzeugende DarstellerInnen und einem Dieter Pfaff in der Titelrolle, der eindrucksvoll demonstriert, daß er weit mehr kann, als den tumben „Otto“ im Fahnder mimen. Last not least gelingt es, viel stimmiges Ruhrgebiets- Lokalkolorit einzufangen, ohne in plumpe Klischees zu verfallen. Die Figuren reden Dialekt und rauchen nicht Benson& Hedges, sondern bleiben bei HB. Nur ein Pressesprecher der Stadt Dortmund wollte das partout nicht wahrhaben. Besessen vom neuen Möchtegern-Image des Ruhrgebietes als High-Tech-Standort und Weltstadt, wollte er nach der Drehbuchlektüre der Filmemacherin zeitweise gar die Drehgenehmigung verweigern. Reinhard Lüke
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