: „Nehmen Sie den Ölzweig mit, Herr Schamir“
In Israel demonstrierten Zehntausende für eine konziliante Haltung Israels bei der Nahost-Konferenz/ Bürgermeister von Tel Aviv fordert Freilassung von Abie Nathan, der wegen Kontakten zu Arafat zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Für A. B. Jehoschua war es ein ganz neues Gefühl. Endlich, so der israelische Schriftsteller, könne er einmal für die Regierung demonstrieren. „Wir versprechen Schamir, daß sich unsere Einstellung ihm gegenüber gründlich ändern wird, daß ein ganz neues Kapitel beginnt — wenn der Ministerpräsident und seine Delegation uns den Frieden bringen“, sagte er am Samstag in Tel Aviv vor etwa 50.000 Demonstranten, „wir wollen nicht, daß unsere Jugend Kinder in den Flüchtlingslagern verfolgt oder zu Sträflingswächtern wird.“
Zur Kundgebung, die unter dem Motto „Israel will Frieden“ stand, hatten die Bürgerrechtsbewegung, die Bewegung „Frieden jetzt“, Vertreter der Arbeiterpartei sowie weitere oppositionelle Gruppierungen aufgerufen. „Bush — give a push“, hieß es auf Schildern und Transparenten, oder prosaischer: „Diese Gelegenheit zum Friedensschluß darf nicht versäumt werden.“ Alle Redner forderten Schamir auf, bei der Nahost-Konferenz in Madrid nicht nur im Namen seiner rechten Koalition zu verhandeln, sondern als Vertreter des ganzen Volkes, dessen große Mehrheit Frieden wünsche. Wie schon 1979, als Schamirs Vorgänger Menachem Begin seine Reise nach Camp David antrat, so riet auch diesmal das Friedenslager dem Ministerprädidenten, dem Druck der ultrarechten Kreise zu widerstehen, für die eine friedliche Lösung eine „nationale Katastrophe“ sei.
„Wir wollen mit den Palästinensern in Frieden leben. Wenn Sie nach Madrid fliegen, nehmen Sie den Ölzweig mit, Herr Schamir!“ rief die Knesset-Abgeordnete Schulamit Aloni von der Bürgerrechtspartei. Sie appellierte auch an den Staatspräsidenten Haim Herzog, sich für die sofortige Freilassung des Abie Nathan einzusetzen. Wegen seiner persönlichen Kontakte mit Arafat war der 65jährige „Friedenskapitän“ jüngst zu drei Jahren Gefängnis, davon die Hälfte auf Bewährung, verurteilt worden. Kontakte zur PLO sind in Israel nach wie vor ein Straftatbestand. Am Samstag nachmittag demonstrierten die Bürgermeister von Tel Aviv und Herzlia vor dem Gefängnis, in dem Nathan eingesperrt ist. Es könne nicht angehen, meinten die beiden prominenten Likud-Mitglieder, daß Nathan einsitze, während Schamir sich in Madrid „mit der PLO an einen Tisch setzen will“. Nathan hat es bisher abgelehnt, ein Begnadigungsgesuch an den Staatspräsidenten einzureichen, weil er sich dann auch für seine „Tat“ entschuldigen und zudem das Versprechen abgeben müßte, „es nie wieder zu tun“. Das aber liegt dem Friedensmann fern.
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