Privatisierung auf brasilianische Art

Stahlkonzern „Usiminas“ wird bei Versteigerung von Angestellten anderer Staatsbetriebe aufgekauft  ■ Von Astrid Prange

Rio de Janeiro (taz) — Sogar der Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, Leonel Brizola, sonst ein erbitterter Gegner der Privatisierung, fand an der Versteigerung der Stahlfabrik „Usiminas“ Gefallen. „Das Ergebnis dient den nationalen Interessen und hat sicherlich einige Technokraten der Regierung enttäuscht“, kommentierte er schadenfroh. Als in der vergangenen Woche 75,28 Prozent des Stahlkonzerns für umgerechnet etwa 1,7 Milliarden Mark den Besitzer wechselten, hatten überraschenderweise die Privatisierungsgegner gesiegt: zusammen mit dem Eisenerzgiganten „Vale do Rio Doce“ kauften die Angestellten der Staatsbank „Banco do Brasil“ zusammen ein Drittel der Anteile auf. Der sozialistische Gouverneur Brizola war darüber so erfreut, daß er den Angestellten per Telegramm für „die Rettung der Usiminas“ dankte.

Bei dem Pilotversuch der Regierung, die Stahlschmiede mit einem Reingewinn von 19 Millionen Mark als erstes von 27 Staatsbetrieben zu privatisieren, machten brasilianische Firmen das Rennen. Vale do Rio Doce, zu 51 Prozent in staatlicher Hand und von einer US-Zeitschrift im letzten Jahr zum lukrativsten Unternehmen der Welt gekrönt, gehört zu den Hauptversorgern der Usimina. 51 Prozent der Aktien sicherte sich ein von der „Banco Bozano Simonson“ angeführtes Firmenkonglomerat aus Banken, ImmobilienhändlerInnen und StahlfabrikantInnen, die damit über 38,25 Prozent der stimmberechtigten Aktien verfügt. Die Anteile ohne Stimmrecht, die 25 Prozent der Usiminas-Aktien ausmachen, werden am 10. November veräußert.

Der von Brizola und vor allem der linken Parteien und Gewerkschaften gefürchtete „Ausverkauf nationalen Volksvermögens an multinationale Firmen“ trat nicht ein. Lediglich 5,9 Prozent der Anteile gingen ins Ausland. Die belgisch-brasilianische Stahlfirma „Belgo-Mineira“, die nach der gescheiterten Versteigerung im September ankündigte, 51 Prozent kaufen zu wollen (taz vom 30.9.91), schied ganz aus. Der Vorsitzende der brasilianischen Bank für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (BNDES), Eduardo Mondiano, führte das geringe internationale Interesse auf die Rechtsunsicherheit zurück. Erst Stunden vor der Versteigerung entschied der Oberste Gerichtshof, welche Zahlungsarten bei der Versteigerung zugelassen werden. Schließlich einigte man sich neben acht Währungen auch auf die Anrechnung auf Auslandsschulden. Das Ergebnis: „Der brasilianische Staat hat an dem Verkauf von Usimina nicht einen Centavo verdient, er hat lediglich weniger Schulden“, kommentierte das Privatfernsehen „Manchete“.

Während im Börseninneren rund 200 UnternehmerInnen fieberhaft verhandelten, lieferten sich draußen rund 3.000 DemonstantInnen mit 600 Polizisten eine erbitterte Straßenschlacht. Aus Angst, erneut mit Eiern und Tomaten beworfen zu werden, blieben die meisten InteressentInnen im Büro und beteiligten sich per Computer an der Versteigerung. Die Polizei hatte bereits im Morgengrauen den Zutritt zum Börsengebäude in der Innenstadt mit Eisengittern abgeriegelt. Während der Auseinandersetzungen mit den PrivatisierungsgegnerInnen, die die Barrikaden stürmen wollten, wurden 80 Personen verletzt.

Präsident Fernando Collor bezeichnete den Tumult jedoch als „irrelevant“. Für Brasilien würden sich durch die Privatisierung enorme Möglichkeiten ergeben. Das Land gewänne an internationaler Glaubwürdigkeit und die Schulden würden abgebaut. Auch über die geringe Beteiligung internationaler Firmen sah Collor schlicht hinweg: „Mit der Privatisierung ist privatisiert — für mich gibt es da keine Unterschiede.“