Bremer Gülle wird zu Kompost

■ Gülleprojekt geht in den Großversuch: Landwirt und Behörde optimistisch

Dunkelgrün quillt die Gülle aus dem Tankwagen in die Mischmaschine: 4012 — 4130 — 4247 Kilogramm. Als die Digitalwaage 4500 zeigt, wird der Hahn abgedreht. Denn mehr als 4,5 Tonnen pro Durchgang kann die Maschine nicht mit gehäckseltem Stroh vermischen. Auf dem Hof in der Rockwinkeler Landstraße herrscht emsige Betriebsamkeit. Mehrere Trecker schichten das Gülle-Stroh-Gemisch auf eine 270 Quadratmeter große Betonfläche auf. Wissenschaftler schieben Meßgeräte in den Mistberg, der auf knapp drei Meter Höhe anwachsen soll: ein spektakuläres Modellprojekt.

Bauer Jürgen Schilling, der sich für den wissenschaftlichen Gülle-Versuch gewinnen ließ, kann auf diesem Weg 250 Kubikmeter Gülle zur dreifachen Menge hochwertigen Komposts verarbeiten. Damit wird er ein Drittel der auf seinem Hof anfallenden Gülle los, die nun nicht in riesigen Tanks oder Auffangbecken unter den Ställen den Winter überdauern muß.

Das System ist so einfach, daß sein Erfinder, ein Kaufmann und Antroposoph, dafür zunächst keine Promoter finden konnte. Nur Bremen zeigte Neugier und beschloß, das Experiment zu wagen, anstatt aufwendige Technologien zur Gülleentsorgung einzukaufen. Alles, was dazu nötig ist, sind Stroh oder Heu, um die flüssige Gülle binden und aufschichten zu können, ein Mischer für diesen Arbeitsgang (Investitionskosten: ca. 60.000 Mark), Sägemehl als isolierende Schutzhülle und eine ausreichend große Lagerfläche. In etwa sechs Monaten verarbeiten die naturgegebenen Bakterien dann Sägemehl, Gülle und Stroh zu nährstoffhaltigem Dünger. Und zwar ohne daß der Stickstoff wie in herkömmlichen Misthaufen in die umgebende Luft entweicht und Nasen wie Umwelt strapaziert. Stattdessen verschieben Sägemehl und Stroh in dem Gemisch das Verhältnis von Stickstoff zu Kohlenstoff soweit und binden die Feuchtigkeit soweit, daß die Bakterien optimale Arbeitsbedingungen vorfinden. Dabei entstehen in dem Komposthaufen rund 60 Grad Wärme, haben die Wissenschaftler vom Bodenökologischen Institut festgestellt, als sie die Meßergebnisse des vorangegangenen Versuchs auswerteten.

In einem ersten Zwischenbericht bestätigen die Forscher sämtliche Erwartungen an das Projekt. Auch der Kompost aus dem Vorversuch hat sich als äußerst nährstoffreich erwiesen. Sein Haupt-Vorteil: er läßt sich problemlos lagern und im Frühjahr mit der Saat ausbringen.

Welche Ergebnisse er erzielen wird, läßt sich dann auch erst im nächsten Jahr beobachten: wenn er erstmals in einem Pflanzversuch eingesetzt wird. Doch auch hier sind Landwirt Schilling, Bodenökologen und Umweltbehörde optimistisch. Einige Landwirte haben sich auch schon auf dem Schilling'schen Hof von dieser Art der Kompostierung überzeugt, die Landwirtschaftskammern aus Niedersachsen stehen in engem Kontakt zu dem Projekt. „Ein paar Jahre wird es noch dauern, aber das Verfahren wird sich durchsetzen“, hofft Bruno Oebels von der Umweltbehörde. ra