Von Kritik keine Spur-betr.: "Schafsköpfe gegen Wolf" von Reinhard Mohr, taz vom 21.10.91

betr.: „Schafsköpfe gegen Wolf“ von Reinhard Mohr,

taz vom 21.10.91

Reinhard Mohr, Golfkriegsanhänger, kann es einfach nicht ertragen, daß Wolf Biermann, ebenfalls Golfkriegsanhänger, von GolfkriegsgegnerInnen kritisiert wird, die, eben weil sie anderer Ansicht als Mohr sind, offensichtlich „Schafsköpfe“, „spätgeborene Flachgeister“ und „im Herzen dumpfdeutsch“ sein müssen.

Das ist nicht zum Totlachen, sondern zum Gähnen. Ähnliche Sprüche auf ähnlichem intellektuellem Niveau haben wir auf Seite 12 der taz von Mohr&Co. schon zur Genüge gelesen, kein Wort mehr davon.

Vielen Dank aber für die Zitate von Reich-Ranicki und Biermann: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen. So viel zum Golfkrieg.“

Mit dieser Perversion eines Büchner-Zitats hat Biermann wirklich alles gesagt. Die Feststellung, daß die meisten Hütten im Süden stehen und die meisten Paläste im Norden, entstammt wohl den „politischen Abgründen der frühen siebziger Jahre“, die die heutige „Linke“ ja zum Glück endlich hinter sich gelassen hat.

Es lebe die Neue Weltordnung. Toni Menninger, Würzburg

In der Sympathiewerbung für den Büchner-Preisträger Wolf Biermann (den auch ich trotz seiner Angriffe auf Friedensbewegte während des Golfkrieges immer noch schätze) wischt Reinhard Mohr alles, was Biermanns Pro-Israel-Position kritisiert, in Bausch und Bogen vom Tisch. Schlimmer noch: Er bezeichnet die Demonstranten in neudeutsch-arroganter Attitüde als „spätgeborene Flachgeister, tief im Herzen dumpfdeutsch..., die die Verlängerung der siebziger Jahre in die unendliche Weite zeitloser Dummheit repräsentieren.“

So kann man natürlich auch auf ernstzunehmende Kritik reagieren. Die Kriegsfolgen für die irakische Bevölkerung sind verheerend, wie immer wieder von Hilfsorganisationen berichtet wird. Dies liegt an der Unnachgiebigkeit des Diktators Saddam Hussein, der sein Volk der Staatsräson opfert, es liegt aber auch an der gezielten Zerstörung jeglicher Infrastruktur im Irak durch die Kriegsalliierten.

Aber kümmert das Herrn Mohr? Wen schert schon der Krieg von gestern? Wir von der Friedensbewegung sind wohl alle hoffnungslos zurückgebliebene Deppen, die den Trend: „Wir sind wieder wer“, verpassen. Beate Roggenbuck, Stuttgart

Reinhard Mohr gehört zu den „umstrittenen“ taz-Autoren, was ihm gefallen mag und noch kein Indikator für mangelnde Qualität seiner Arbeit ist. Daß er reichlich Gegner hat, scheint ihm bekannt, drischt er doch fröhlich ständig auf diese ein, was ihm erlaubt sei — wenn er nicht anders kann. Daß er sich aber nur noch aufs Hetzen versteht, ohne sich noch großartig um inhaltliche Debatten zu bemühen, sprengt die Grenzen meiner Toleranz, die ich für nicht unbedingt eng halte.

Habt Ihr mal eine Stilanalyse seiner Beiträge versucht? Mensch betrachte sich folgende, aus einem einzigen kleinen Abschnitt zusammengetragenen Zitate: „Flachgeister“, „dumpfdeutsch“ (ausgerechnet Kriegsgegner), „im Kopf die Leere eines ausgeräumten Koordinationsbüros der Friedensbewegung“, „intellektuellen Horizont einer mehrfach recycelten (recycelten? dummdeutsch?) ,Kein-Blut-für-Öl‘-Broschüre“, „unendliche Weite zeitloser Dummheit“. Eine Reihe von Flüchen, gespickt mit (meines Erachtens nicht sonderlich originellen) gebrochenen Metaphern, gerichtet gegen die, die Biermanns Golfkriegsbegeisterung nicht vergessen haben. Von Kritik keine Spur.

Sie sind alle nur doof und haben was mit den siebziger Jahren zu tun. Im folgenden Allgemeinplätze über eine Frau, die sich in den „politischen Abgründen der frühen siebziger Jahre häuslich eingerichtet hat“ (dunkel ist der Rede Sinn), das, was „in Deutschland“ als „Verrat“ gilt, „Zeitalter“, dessen „intellektueller Zeitgenosse man (,jeder‘)“ ist, etc. Das tut weh. Ansonsten das anheimelnde „Du (lieber Willi)“, eine warme Nähe zu Herrn Reich-Ranicki (in aufgeschlossenen „linken“ Kreisen wohl Standard?) und unverdaute Biermann-Zitate.

[...] Ich frage mich nur, welchen Wert das hat. Die Ansichten von Reinhard Mohr sind durchweg reaktionäre, sein Stil ist beschissen, seine Art der Auseinandersetzung mit Gegnern absolut unkultiviert. Seine Beiträge sind weder witzig noch informativ, noch kann ich das, was er für seine Meinung hält, irgendwie geistreich finden. [...] Duke Erdmann, Krefeld

Wer über die Büchner-Preisverleihung etwas lesen wollte, erfuhr genaueres aus 'FAZ‘, 'FR‘ und 'Darmstädter Echo‘, als aus Deinen zitatenreichen Brief an Willi. Das macht ja nix. Nur — Deine Wahrnehmung des Protests gegen diese Auszeichnung für Mainstream Behaviour wurde entweder durch's verregnete Oktoberwetter getrübt oder, vielleicht wahrscheinlicher, durch Deine Einstellung zur Bombardierungseuphorie im Golfkrieg.

Zugegeben, anläßlich des diesjährigen Literaturpreisspektakels hätte man sich die Flugblätter, Transparente, Demonstranten, Zwischenrufer und Störer besser, größer, zahlreicher, lautstärker und origineller gewünscht. Zugegeben, gut gemeint ist oft das Gegenteil von wirklich gut. Aber — am Kern des Unmuts mogelst Du Dich, mittels sprachgewaltiger Polemik, ignorant vorbei — wie Marcel Reich-Ranicki in seiner literaturpäpstlichen Laudatio.

Biermann hatte mit einer einzigen, marktschreierischen Stellungnahme „Ich bin für diesen Krieg am Golf“ mehr Aufsehen erregt, als davor in zehn Jahren durch alle seine Lieder, Platten, Konzerte und Politikkommentare zusammen. Und just im gleichen Jahr wird der, der auch mit dem lästigen Teil der deutschen Geschichte schon vorher abgerechnet hatte, zum Preisträger gekürt. Und keiner aller Redner hat den Mut, das offensichtlich heiße Eisen anzufassen. Auch Reich-Ranicki ignoriert. Und Mohr polemisiert. „Dumpfdeutsch“ feige, wer nicht schreit.

Die, die's doch tun, trifft's mit Haß. Der Zuhörer, der mit einem Transparent im Auditorium an Biermann's Zitat erinnert, wird von anderen als „Antisemit“ entlarvt. Diskussionsversuche mit dem autogrammverteilenden Star, kritisch aber freundlich, bügelt dieser selber nieder, ganz sich treu, lautstark anal- verbal: „Arschgeigen“, „Arschlöcher“. Mehr fällt dem Wolf nicht ein, er hat es auch nicht nötig. Er kneift erregt, nicht souverän. Das Golfkriegseisen ist zu heiß! Uli Stahl, Darmstadt