Kampf um die Mikrofone

Kurz vor Beginn der Nahost-Konferenz streiten sich die Verhandlungsdelegationen um die Redezeit  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die Kontrahenten beginnen sich warmzulaufen. Noch bevor in Madrid die Mikrofone angeschaltet sind, hat Israel bereits dagegen protestiert, daß zu Beginn der Nahost- Konferenz am Mittwoch auch ein Vertreter der palästinensischen Delegation das Wort ergreifen soll. Dies sei, so beschwerte sich der israelische Botschafter im Washingtoner Außenministerium, eine Verletzung der amerikanisch-israelischen Absprachen, wonach es sich um eine jordanisch-palästinensische Delegation handele und ergo nur der jordanische Vertreter eine Eröffnungsansprache halten dürfe. 45 Minuten Redezeit stehen zu Beginn jeder Delegation zur Verfügung — und in Israel ärgert man sich schon jetzt darüber, daß diese Regelung der arabischen Seite drei „Zeiteinheiten“, Israel aber nur eine zubilligt. Man hatte vergeblich um zusätzliche Redezeit gebeten. Sollten die Palästinenser nun „Extrazeit“ bekommen, will Israel darauf bestehen, wenigstens in der zweiten Runde länger zu Wort zu kommen. Eigentlich besteht man auf 50 Prozent der Redezeit, schließlich handelt es sich nach israelischer Auffassung um „bilaterale Verhandlungen“ mit den Delegationen Syriens, des Libanons und der gemeinsamen jordanisch-palästinensischen Abordnung.

Schamir lehnte es kurz vor seiner Abreise ab, zum Auftakt der Madrider Konferenz einen Siedlungsstopp in den besetzten Gebieten im Austausch gegen eine Aussetzung der Intifada zu verkünden. In einem Gespräch mit Vertretern der israelischen Oppositionsparteien erklärte er, dies würde eine Schwächung der eigenen Verhandlungsposition bedeuten.

Unterdessen erwägt die rechtsextreme „Tehya“-Partei offenbar, doch in der Regierungskoalition zu bleiben. Noch letzte Woche hatte die Partei angekündigt, aus der Koalition auszutreten, sobald Israel an der Madrider Konferenz teilnimmt. Doch nachdem Ministerpräsident Schamir sich kurzerhand selbst an die Spitze der Delegation gesetzt und den als konzilianter eingeschätzten Außenminister Levi ausmanövriert hatte, hält man es in den Reihen der „Tehya“-Partei offensichtlich für klüger, zusammen mit anderen ultrarechten Gruppierungen „von innen her“ Druck auf die von Schamir geführte Delegation auszuüben.

Noch vor Konferenzbeginn will US-Präsident Bush mit Schamir zusammenkommen, um festzustellen, ob aufgrund des Führungswechsels in der israelischen Delegation eine Abweichung von der zwischen Washington und Jerusalem festgelegten Linie zu erwarten ist.

Israels Verteidigungsminister Moshe Arens hatte sich am Sonntag in einem Interview der US-Fernsehgesellschaft ABC gegen US- Kritik an der israelischen Siedlungspolitik verwahrt. Damit würde Washington im Vorfeld der Konferenz in der arabischen Welt Erwartungen wecken, „die nicht hilfreich sind“.

Zum Auftakt seines Madrid-Besuchs wird Bush heute mit dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow zusammentreffen, Fragen der Rüstungskontrolle sowie innen- und wirtschaftspolitische Probleme der Sowjetunion seien die vorrangigen Themen dieses ersten Treffens zwischen George Bush und Michail Gorbatschow nach dem gescheiterten August-Putsch in Moskau.