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Dritte Welt zahlt für Billigkaffee

■ Nach dem Scheitern des Kaffeeabkommens drohen die Erzeugerländer weiter ins Elend abzusinken

Frankfurt (ap) — Befriedigt greifen die VerbraucherInnen im Supermarkt ins Kaffeeregal. Noch nie war der Deutschen liebstes Heißgetränk so billig wie heute. Ein Pfund Kaffee ist derzeit für unter fünf Mark zu haben. Und das wird so bleiben: Auf einer Londoner Tagung Ende September setzte die Internationale Kaffeeorganisation das Exportquotensystem, das den Erzeugerländern bis 1989 Mindestpreise garantierte, für weitere zwei Jahre aus. Der Preis, nach dem geplatzten Kaffeeabkommen durch das weltweite Überangebot drastisch eingebrochen, wird bis auf weiteres im Keller bleiben, wie Hans-Georg Müller-Henniges vom Deutschen Kaffee-Verband erklärt.

Was Kaffeetrinker im reichen Norden als Kunden freut, verurteilt in den Erzeugerländern Millionen Kleinbauern auf Jahre hinaus zu Armut und Elend. Viele der 25 Millionen Kaffeebauern und Plantagenarbeiter können von dem hinter Erdöl zweitwichtigsten Rohprodukt der Weltwirtschaft mittlerweile kaum noch leben.

„Kaffee ist der Prototyp eines Kolonialproduktes“, sagt der Kölner Lateinamerika-Experte Ulf Baumgärtner. 47 Prozent der Weltkaffeernte werden in Südamerika produziert, 19 Prozent in Mittelamerika; 21 Prozent entfallen auf Afrika und 12 Prozent auf Asien. Noch Anfang dieses Jahrhunderts wurde der aus Äthiopien stammende Kaffeestrauch vor allem auf riesigen Plantagen kultiviert. Plantagenländer, wie etwa das größte Anbauland Brasilien, gibt es zwar heute noch; in den vergangenen Jahrzehnten haben jedoch immer mehr Kleinbauern den für sie zeitweilig durchaus lukrativen Kaffeeanbau aufgenommen. Inzwischen stammt der Großteil der jährlichen Rohkaffee-Exporte von rund 70 Millionen Sack (ein Sack: 60 Kilogramm) aus kleinbäuerlicher Erzeugung. Die Anbauländer selbst verbrauchen 22 Millionen Sack, zwei Millionen wurden im vergangenen Jahr gelagert.

Eine Reihe von Staaten wie Uganda, Burundi, Äthiopien, Guatemala oder El Salvador bezieht aus der Kaffeeausfuhr mehr als die Hälfte ihrer Deviseneinnahmen, ohne die sie ihre Importe nicht finanzieren können. Mit nationalen Vermarktungsorganisationen und festgelegten Mindestpreisen versuchen viele Erzeugerländer, ihre Pflanzer vor dem Schwanken des Weltmarktkurses und der Willkür der Aufkäufer zu schützen. Doch anders als die reichen EG-Länder, die ihren Landwirten mit Milliardensubventionen aushelfen, fehlen den Staaten der Dritten Welt die finanziellen Mittel. Die Folge: die Landbevölkerung wandert ab, riesige Elendsquartiere am Rande der Großstädte entstehen.

Der Kaffeepreis wird auf den Hauptkaffeebörsen in New York und London ausgehandelt. Den Markt dominieren neben einigen großen Handelsfirmen und Röstereien überwiegend internationale Konzerne wie Philipp Morris. Auch das Familienunternehmen Tschibo mischt kräftig mit. Auf dem deutschen Markt, mit rund 9,5 Millionen Sack Rohkaffee und einen Pro-Kopf-Jahresverbrauch von 180 Litern einer der größten, liefern sich die Kaffeefirmen einen scharfen Konkurrenzkampf; vor allem Billiganbieter wie Aldi haben die anderen Röster immer wieder zu neuen Preisabschlägen gezwungen.

Der Preissturz beunruhigt inzwischen auch den Rösterverband. Absatzschädliche Imageeinbußen seien zu befürchten, erklärt Müller-Henniges, wenn Kaffee vollends zum Billigprodukt werde. Und wenn die Produzenten künftig noch weniger verdienten, sei gar ein Ende des sorgfältigen Anbaus zu befürchten. Der Verband drängt daher auf ein neues Kaffeeabkommen, das als Interventionssystem das Exportangebot steuern und die Rohkaffeepreise stabilisieren soll. Das Grundprinzip: Bei zu niedrigen Preisen werden die Ausfuhren gesenkt.

Die Quotenverhandlungen werden mit der Internationale Kaffeeorganisation (ICO) geführt, die jedoch kein Zusammenschluß der Erzeugerländer ist. Der ICO gehören 50 Exportländer und 24 Importländer an. Nach Einschätzung des Deutschen Kaffee-Verbandes scheiterte das letzte, 1983 geschlossene Abkommen daran, daß mit den festgelegten Quoten überholte Angebotsstrukturen konserviert, Mengen- statt Qualitätsproduktion gefördert und durch die Überschußproduktion Billigkaffee begünstigt wurde.

Um die Lebensbedingungen zumindest einiger Kaffeebauern in der Dritten Welt zu verbessern, sind in Deutschland und anderen Ländern Importgesellschaften gegründet worden, die den Weg vom Produzenten zum Verbraucher verkürzen und die Bauern vom Preisdiktat der Großabnehmer befreien wollen. Dabei wird der Kaffee bewußt über dem Marktpreis angeboten, um den Lebensstandard der Bauern zu heben. Doch damit lassen sich die Probleme der Erzeugerländer allein nicht lösen. An einer Erhöhung des Weltmarktpreises, die natürlich mit einer Produktionsbeschränkung einhergehen müsse, führe kein Weg vorbei, sagt Baumgärtner. Ein stattlicher Teil des Ladenpreises fließt im übrigen an den Bauern und Konzernen vorbei in die Taschen des Bonner Finanzministers. Jedes Kilo Rohkaffee ist mit einer Spezialsteuer von 3,60 Mark belegt, die dem Staat 1990 immerhin knapp 2 Milliarden Mark einbrachte.

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