„Immer waren's Türken“

■ Tiefe Gräben zwischen Oslebshauser Jugendlichen / Treffpunkt Bürgerhaus

In Bremen geboren und trotzdem ein FremderFoto: Archiv

Zum Freimarkt geht er nicht, weil da die Skins und Rechten den Türken auflauern. In der Straßenbahn setzt er sich abends nie in die hinteren Wagen, sondern immer vorne zum Schaffner: „Die Angst ist gestiegen und die Parteien putschen das noch auf“, sagt Seyfettin, ein 17jähriger Jugendlicher aus Oslebshausen mit türkischen Eltern, die seit über 20 Jahren in Deutschland leben. Er gehört zu den 20 türkischen Jungs, die sich im Bürgerhaus Oslebshausen regelmäßige Benutzungszeiten des Jugendraumes erkämpft haben.

hier das Foto

aus der Moschee

Mit ihnen beanspruchen 30 deutsche Jugendliche den 16 Quadratmeter großen Raum.

Viel mehr Möglichkeiten haben die Jugendlichen nicht: Das Jugendfreizeitheim etliche Straßen weiter wird von den Jugendlichen aus dessen unmittelbarem Umfeld blockiert. Im Vergleich zu allen anderen Stadtteilen hat Gröpelingen die weitaus schlechteste Infrastruktur für Jugendliche bei einem sehr hohen Anteil von Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung. Schon ein zusätzlicher Raum würde die spannungs

geladene Stimmung unter den konkurrierenden Gruppen entspannen, meint Ralf Jonas, Leiter des Bürgerhauses und Sozialpädagoge, der vor drei Jahren in dem Gemeinschaftszentrum mit der Jugendarbeit begann. „Mit Kontinuität und persönlicher Zuwendung kann man viel bewirken“, sagt er.

Ins Gemeinschaftsleben des Bürgerhauses seien die deutschen Jugendlichen mittlerweile „sehr gut integriert“, erzählt Jonas, „trotz all ihrer Chaotik“. Unüberwindbar scheinen dagegen die Gräben zwischen ihnen und den türkischen Jugendgruppen: Nur ein abgegrenztes Zusammenleben, aber keinesfalls Integration sind trotz jahrelangen Miteinanders in Schule und Freizeit zu beobachten. Obwohl es zwischen Einzelnen Freundschaften gibt, bestehen die Jugendlichen in ihren Gruppen auf nationaler Eigenständigkeit.

Seyfettin erzählt, wie immer mehr seiner Klassenkameraden von der zunächst geplanten Abschlußfahrt in die Türkei absprangen. „Als die Eltern dagegen waren, wollten sie auch nicht mehr. 'Mein Kind kommt nicht ins Kanackenland‘, hat ein Vater gesagt.“ Auch Sabina (15) würde nie in die Türkei fahren. Sie hat eine Deutschlandfahne auf ihre Jacke genäht. Warum? — „Ganz einfach, weil da ein Loch war.“ Ein türkischer Mitschüler hat ihr ein Messer hineingerammt — weil sie sich über ihn beschwert hatte. Einer anderen hatte der Jugendliche bereits ein Messer an die Kehle gesetzt — er hat seitdem Hausverbot im Bürgerhaus.

Mit allen Jugendlichen hatte Ralf Jonas über den Vorfall geredet. Doch Sabina wiegelt ab: „Meine Schwester wurde übel im Park begrabbelt, unser Autoradio geklaut — immer waren's Türken. Man muß doch auch mal sehen, wie es im Einzelfall ist.“ ra