Reformation: Feiertag nur für Lehrer

■ Das Problem des Feiertages in der multireligiösen Gesellschaft: In Bremen wird malocht

Der Nordrhein-Westfale als solcher ist ein geduldiger Mensch. Im Prinzip. Nur, wenn er in Bremen arbeitet, wird er mürrisch. Muß er doch am 1.11. zur Arbeit, während seine früheren Stammeskollegen dem Feiertag frönen und dem Müßiggang nachgehen: Allerheiligen, der 1. November eines jeden Jahres, ist südlich der Weser anerkannter Feiertag.

Nun wäre das nicht so schlimm, wenn der Nordrhein- Westfale, der im Prinzip ein entgegenkommender Typ ist, im evangelisch-lutherischen Raum als Ausgleich für Allerheiligen am 31.10. den Reformationstag als Feiertag angeboten bekäme. Aber der Reformationstag ist nördlich der Weser kein Feiertag.

Der Nordrhein-Westfale, der im Prinzip ein beherrschter Mensch ist, würde sich nun still in sein Schicksal fügen, gäbe es nicht den Berufsstand des Pädagogen. Alle 5.350 Lehrer an Bremens allgemeinen Schulen haben am Reformationstag Unterrichtsfrei. Und das ist nicht gerecht, denkt der Nordrhein-Westfale, der immer schon ein ausgeprägtes Gleichgewichtsorgan sein Eigen nannte.

Ursache für diesen Mißstand ist das Bremer „Gesetz über Sonn- und Feiertage“ vom 12.11.1954. Das sichert allen Kindern die Ausübung ihrer religiösen Bräuche am Reformationstag zu: Und weil die Schulbehörde taktvoll ist, registriert sie nicht mehr, wes Kind evangelischen Glaubens ist und in welche Kirche es geht, sondern gibt gleich allen Kindern frei: ob katholisch, moslemisch, evangelisch oder gar nichts. Die Eltern dürfen dagegen, Calvin läßt grüßen, auf dem Feld der Arbeit weiter Pluspunkte für das Leben danach sammeln. Das Feiertagsgesetz sieht vor, daß sie im Laufe des Reformationstages die Kirche besuchen können. Im Klartext: Nach der Arbeit. Sogar die Pastöre müssen am Reformationstag arbeiten!

Die katholischen Kinder sind dagegen doppelt fein heraus. Sie dürfen, nach dem gleichen Feiertags-Gesetz, nicht nur am Reformationstag, sondern auch am Allerheiligen-Feiertag zu Hause bleiben. Die 1.600 Schüler der katholischen Privatschulen in Bremen müssen sogar zu Hause bleiben, versicherte Probst Plate auf Anfrage. Ihre lutheranischen Kumpels müsssen dann aber die Schulbank drücken. Ist das in Ordnung?, fragt der Nordrhein- Westfale, der sich seit jeher immer um einen Dialog bemüht hat.

Was machen Bremens Lehrer, wenn die Kinder ihren religiösen Pflichten nachkommen? „Fortbildung“ sagt Landesschulrat Hans-Georg Mews, und so wie er es sagt, glaubt er selbst daran. Alle Kollegien treffen sich am Donnerstag und besprechen wichtige Dinge: „Konferenz“, wie der Nordrhein-Westfale sagt, wenn er sich zurückziehen will.

Oder eben Fortbildung. Ein Blick auf die Programmtafel im Wissenschaftlichen Institut für Schulpraxis kündigt für Donnerstag ein Seminar mit dem Titel an: „Möglichkeiten der Entspannung, Konzentration und des Wohlbefindens im Unterricht der Primarstufe.“ Für wen?, fragt der skeptische Nordrhein-Westfale. mad