Angeber im Äther

■ Besuch in den oberen Regionen der Ultrakurzwelle

Seit August beziehungsweise September 1991 hat Berlin zwei Maulhelden auf der Ultrakurzwelle. Am 12. August ging der Radio-100-Nachfolger »Radio Energy« auf Sendung und seit dem 9. September sendet auch »104,6 RTL«. Während »Energy« von seinem 24-Stunden-Musikprogramm mit wenigen dürftigen journalistischen Einsprengseln behauptet, daß dort »die beste Musik für Berlin« läuft, hat RTL den flotten Spruch, »die beste Musik der 70er, 80er und 90er«. Mittlerweile ist eines klar: Die Programme der beiden Sender sind sich ziemlich ähnlich: jüngere Popmusik und Textbeiträge auf Sparflamme. Bei RTL wird mehr gequatscht, Belangloses und Wichtiges durcheinander. Die Bandbreite der Musik ist größer als bei Energy, der sich auf das Rauf- und Runterdudeln der gängigen Hitparade konzentriert hat. Da alle anderen Sender ihre Nachrichten zur vollen oder halben Stunde bringen, profiliert sich RTL nun durch Nachrichten jeweils 10 Minuten vor jeder vollen Stunde. Mit dem Vorgänger Radio 100, will »Energy« rein gar nichts zu tun haben, meint Geschäftsführer Thomas Thimme, der allerdings jahrelang denselben Posten beim links-alternativen Radio 100 innehatte. »Amerikanisches Programmformat, französisches Know-how und Berliner Kompetenz« soll laut Thimme im Programm zu finden sein. Allerdings ist von Kompetenz nicht viel zu merken.

Energy geht schweren Zeiten entgegen. Denn neben dem größten Anteilseigner, der französischen »Nouvelle Radio Jeunesse« mit 38 Prozent, einer Gesellschaft, die in Frankreich zahlreiche ähnlich gestrickte Sender mit großem Erfolg betreibt, sitzen mit im Boot auch noch die alten Anteilseigner des pleitegegangenen Radio 100: Aktiv Radio Berlin (34,6 Prozent), Neues Radio Berlin (24,4 Prozent) und ein Prominenten-Verein (3 Prozent). Diesen Anteilseignern müßten inzwischen die Ohren abgefallen sein angesichts des reinen Musikprogramms ohne Anspruch auf engagierte Berichterstattung. Drei Jahre noch kann es dauern, bis sich der Sender wieder aus dem Äther verabschiedet. So lange sind nämlich vom französischen Geldgeber bisher rote Zahlen eingeplant. So ist jedem zu raten, die Frequenz 102,6 MHZ einzuschalten. Hier sendet »DT64« sein 24-Stunden-Programm. Rockmusik mit einem breiten Spektrum, Musikspezialsendungen, Wortbeiträge und auch längere Studiodiskussionen. »Power from the Eastside« ist der Spruch, mit dem der Sender noch zwei Monate ums Überleben kämpft. Dann soll der Saft abgedreht werden, Vielleicht überlebt DT 64 aber doch noch. Protestaktionen aus Sachsen sind bekanntgeworden und in zahlreichen ostdeutschen Städten haben sich Unterstützergruppen gebildet. Stirbt DT 64, kann man jedem Berliner Radiohörer nur raten, ab 98,8 MHz (BFBS) das Suchen nach guter Musik einzustellen. Es lohnt sich nicht. Jürgen Karwelat