Polen stimmt gegen Wirtschaftspolitik

■ Die polnische Wirtschaft befindet sich weiter auf Talfahrt

Berlin (taz) — Polens Wirtschaft steckt tief im Schlamassel. Bei den Wahlen vor zwei Jahren herrschte noch der Optmismus vor, die heruntergewirtschaftete Staatsindustrie wieder auf Trab zu bringen und den Lebensstandard rasch anzuheben. Doch der Elan ist vorbei; immer mehr Polen glauben, es könne nur noch schlechter werden. Das Wahlergebnis vom Sonntag wird weitgehend als klare Absage der Bevölkerung an die gegenwärtige Wirtschaftspolitik gewertet. Gewonnen haben jene Parteien, die gegen das sogenannte Balcerowiczs- Programm Sturm liefen. Die Schocktherapie der letzten Regierung habe zwar zu einer gewissen Stabilisierung gefüht, aber auch verheerende Nebenwirkungen ausgelöst, kommentierte der Vorsitzende des Wirtschaftsrats Trzeciakowsik. Kein Wunder: Die Liberalisierung des Außenhandels schuf kaum Exportchancen; die Privatisierung geht nur schleppend voran. Polens Wirtschaftszahlen sind düster: die Industrieproduktion dürfte in diesem Jahr nochmals um 12 bis 18 Prozent sinken; das Bruttoinlandsprodukt um bis zu 12 Prozent fallen. Für die Realeinkommen rechnet der Wirtschaftsrat der Bielecki-Regierung mit einem Rückgang um drei Prozent; das Arbeitslosenheer wird auf 2,1 Millionen anwachsen. Lediglich der Anteil der Privatwirtschaft, der inzwischen rund 20 Prozent der Industrieproduktion ausmacht, zeigt einen Silberstreif: Über eine Million Kleinunternehmen polieren mit einem Exportanteil von 14 Prozent die Bilanz auf. Auch die Inflation ist leicht zurückgegangen; sie soll sich in diesem Jahr auf 80 Prozent aufsummieren. Erwin Single