Die Leiden des ausländischen Investors

In Polen kämpfen Auslandsfirmen gegen Bürokratien, Kreditprobleme und andere Schikanen an  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Krzysztof Mikulski, Warschauer Vertreter des Textilriesen Benetton, hat zur Pressekonferenz geladen. Inmitten einer Bauruine am Haupt- Boulevard in der Innenstadt, eingedeckt von Betonstaub, zerlegten Röhren und herumliegendem Baumaterial, steht ein Tischchen mit Brötchen und Getränken. Wenn Mikulski das Wort ergreift, muß er gegen quietschende Straßenbahnen und ratternde Bohrer ankämpfen. Hier, wo sich früher eine billige und berüchtigte staatliche Selbstbedienungskantine befand, sollten eigentlich ein modernes SB-Restaurant, ein Geschäftszentrum und ein Modeladen entstehen. Daß dem nicht so ist, verdankt Warschau einer ganzen Reihe von Anti-Investitions-Schikanen.

Der Versuch, die Millioneninvestition per Kredit zu finanzieren, scheiterte an der Nationalbank. Ein Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zur Aufnahme von Auslandskrediten ist seit drei Monaten unbeantwortet. Der Grund: Die Nationalbank ist derzeit ohne Chef, und ohne diesen werden solche Dinge nicht entschieden. Was bleibt, ist der Gang zu polnischen Banken. Doch Mikulski winkt ab: „Ein Zloty-Kredit wäre bei der derzeitigen Inflation finanzieller Selbstmord.“ Benetton kann sich auch bei den Banken um einen Dollarkredit bemühen — vorausgesetzt, die Firma weist eine Bürgschaft einer West-Bank vor und zahlt brav die Zinsen. Aber statt der im Westen üblichen 7 bis 8 prozentigen Zinsen sind so bis zu 22 Prozent fällig.

„Ein Büro, das wir zuerst benötigten, erhielten wir recht schnell — samt Mieter“, berichtet Mikulski. Die polnische Sportlotterie hatte nichts gegen den neuen Besitzer, nur die Büroräume wollte sie nicht verlassen. Eine Möglichkeit, die Mieter vor die Tür zu setzen, sieht Polens Mietrecht nicht vor. Der Versuch, polnische Partner zur Kleiderproduktion zu finden, endete ähnlich: „Die Verhandlungen waren einigermaßen fortgeschritten, da schickte der Betriebsrat den Direktor in die Wüste und wir hatten vier Monate lang keinen Verhandlungspartner.“ Die Firma setzt jetzt auf die Privatisierung — dann kann der Direktor den Betriebsrat verjagen.

Vor einigen Wochen sagten die Behörden Schmugglern und Schwarzhändlern den Kampf an. Das Zollamt hatte festgestellt, daß seine Beamten offenbar nicht in der Lage waren, Tausende von Zollfreizonen und Zolldepots effektiv zu kontrollieren. Also griff man zu drastischen Mitteln: Jeder Importeur soll erst einmal zahlen. Reexportiert er, erhält er die hinterlegte Summe zurück. Für jede Stofflieferung, die Mikulski ein- und wieder ausführt, muß er 200.000 Dollar einfrieren lassen: „Der Zoll akzeptierte nur Bargeld; nun ist es uns endlich gelungen, daß auch eine Bankgarantie reicht.“ Das dicke Ende kam, als Benetton mit anderen Investoren daranging, die Praga-Bar zu renovieren. Der Pachtvertrag war mit dem Lebensmittelmonopolisten „Spolem“ abgeschlossen worden, doch ob der sich in Auflösung befindliche Genossenschaftsverband wirklich der Eigentümer ist, kann niemand sagen. Zur Zeit bemüht sich die Gemeinde „Warschau-Mitte“ darum, das Gelände zugeteilt zu bekommen. Für alle Fälle hat der Bürgermeister den Sanierern erstmal die Baugenehmigung versagt. Richtig bauen kann Mikulski sowieso nicht. Das Gebäude ist derart ruiniert, daß die kompletten Installationen ausgetauscht werden müssen. Dazu müßte man allerdings erst die darüberliegenden Wohnungen betreten dürfen, in die die Röhren führen. Mikulski: „Bedingung wäre, daß wir dann die Röhren im ganzen Block bis unters Dach austauschen.“

Einiges von dem, was Investoren das Leben sauer macht, soll Auslandsbetrieben zukünftig erspart bleiben, so etwa die benötigte Genehmigung der „Agentur für Auslandsinvestitionen“, die nun aufgelöst wird. Um diesen Stempel zu bekommen, zog Benetton bis vor das Oberste Verwaltungsgericht. Kreditprobleme, ungelöste Eigentumsfragen und Bürokratie-Chaos bleiben Firmengründern in Polen jedoch weiter erhalten. So steht die Führungsgarnitur von Benetton-Polen auf ihrer Baustelle, verteilt Fischbrötchen und Firmenprospekte und klopft sich den Staub von den Firmenkleidern. Mikulski hat eine Kollegin mitgebracht, die Benneton- Chefin in der CSFR. Sie versteht die ganze Aufregung überhaupt nicht: „Bei uns hatten wir alles innerhalb von zwei Wochen unter Dach und Fach“, sagt sie ungläubig.