Panzer für Israel, Rente für Stavenhagen

■ Konsequenzen im Skandal um die vom BND geplante Lieferung von NVA-Panzern nach Nahost gefordert/ Keiner der Verantwortlichen will von der Aktion gewußt haben/ Rücktritt von Kanzleramtsminister Stavenhagen gefordert

Berlin (taz/dpa) — Keiner will's gewußt haben. Weder Kanzleramtsminister Lutz Stavenhangen (CDU) noch BND-Chef Konrad Porzner (SPD), Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) oder die betroffen Reederei „Astramaris Schiffahrtskontor“ will die Verantwortung für die geplante und am Montag im Hamburger Hafen aufgeflogene Waffenschieberei zwischen Bundesnachrichtendienst und dem israelischen Geheimdienst Mossad übernehmen. Keiner will von seinen Untergebenen etwas erfahren haben oder gar eingeweiht worden sein. Während die Hamburger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz einleitete, forderten gestern Abgeordnete aller Bonner Parteien eine umfassende Klärung über die geplante illegale Lieferung der Panzerfahrzeuge, die aus Beständen der ehemaligen Nationalen Volksarmee stammen.

Der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), Willfried Penner (SPD), ließ die Bundesregierung wissen, er wolle bei der heutigen Sitzung des Gremiums einen lückenlosen Bericht auf dem Tisch liegen sehen. Wenn es ein schwerwiegendes politisches Versagen gegeben habe, müßten die betreffenden Politiker zurücktreten. Penner zufolge müsse künftig sichergestellt werden, daß die Kontrolle über nachgeordnete Gremien tatsächlich gewahrt bleibt. Anderenfalls müsse der Verdacht bestehen, daß in den unteren Stockwerken der Ministerien und Geheimdienste „alles Beliebige passieren könnte, ohne daß es politischem Einfluß unterliegt“.

Das Verteidigungsministerium ließ gestern wissen, es sei bei der Lieferung der Kettenfahrzeuge lediglich einem Wunsch des Bundesnachrichtendienstes nachgekommen. Der Hardthöhenchef sei dabei nicht informiert worden: „Die Leitung des Bundesverteidigungsministeriums war über diese Aktion nicht informiert.“ Stoltenberg habe nun nach Bekanntwerden eine sofortige Überprüfung angeordnet. Das Kriegsgerät war — getarnt als „landwirtschaftliche Maschinen“ — kurz vor der Verschiffung im Hamburger Hafen entdeckt worden.

Der noch amtierende SPD-Fraktionschef Hans-Jochen Vogel sprach von einer „unglaublichen Geschichte“. Beim BND seien Konsequenzen fällig. Sein Fraktionskollege Peter Paterna forderte ebenso wie der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Norbert Gansel, den Rücktritt des zuständigen Staatsministers Stavenhagen. Gansel hielt der Bundesregierung vor: „Waffenschmuggel im Staatsauftrag“ — ein „eklatanter Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz“, der bei normalen Bürgern mit mehrjährigen Freiheitsstrafen geahndet würde. Wenn die politische Kontrolle versage, müsse eben „der Staatsanwalt zuschlagen“. Für die am Mittwoch in Madrid beginnende Nahost-Friedenskonferenz sei die Waffenlieferung „kontraproduktiv“. Auch Der SPD-Vorsitzende Björn Engholm forderte die schärfere Kontrolle der Geheimdienste. Die Rolle des BND müsse ebenso wie die des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und des Verfassungsschutzes „prinzipiell“ hinterfragt werden. Der Liberale Burkhard Hirsch deutete die Möglichkeit an, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuß einzusetzen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Hans Stercken (CDU), erkannte: „Was ist das für ein Meisterwerk deutscher Bürokunst, daß man so etwas versucht, am Gesetz und an der Regierung vorbei.“ Es sei ein „unmöglicher Zustand“, wenn BND-Chef Konrad Porzner „offenbar über diesen Vorgang nicht unterrichtet worden ist“. Waffenlieferungen an Israel haben immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Bereits Ende der 50er Jahre kam es zu einem Geheimabkommen über militärische Waffenhilfe, das Mitte der 60er aufflog und international für Aufsehen sorgte. Die Waffenhilfe im Wert von 300 Millionen Mark hatte damals Verteidigungsminister Strauß (CSU) eingefädelt. Wegen der Brisanz der Waffenlieferungen in das Spannungsgebiet Nahost wurden die Exporte aber nicht an die große Glocke gehängt. wg