PORTRÄT: Herta Däubler-Gmelin: Tüchtig, trocken, wenig Profil
Die Bewerberin für den SPD-Fraktionsvorsitz begann ihre Karriere mit Protesten gegen den Paragraphen 218 ■ Von Ulrike Helwerth
Scharf kann sie werden. Wie neulich im Bundestag, als sie während der Asyldebatte dem CDU- Generalsekretär Rühe seine „Sätze, an denen erkennt man Schreibtischtäter“ vorwarf — und dafür einen Rüffel von der Bundestagspräsidentin kassierte. Empört, erregt zog sie sich auf ihren Abgeordneten-Sessel zurück. Ein eindrücklicher Auftritt, schon deswegen, weil sich Herta Däubler- Gmelin selten so gefühlig zeigt.
Trocken, korrekt, das sind schon eher Attribute, die einer spontan einfallen für die doppelte Partei-Vizin und Dr. Jur. Und: räs — schwäbische Bezeichnung für einen alles andere als lieblichen Wein. Ja, das könnte passen auf die Tochter des langjährigen Tübinger Oberbürgermeisters Hans Gmelin, geboren 1943 in Preßburg, heute Bratislawa/CFSR.
Und tüchtig. Die Vereinbarung von Familie und Beruf/Karriere scheint sie ohne größere Einbrüche geschafft zu haben. Zäh dafür gekämpft hat die Mutter von zwei Kindern, verheiratet mit dem Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler, seit Anfang
ihres politischen Engagements. Es begann Anfang der 60er Jahre beim Asta der FU Berlin. 1965 Eintritt in die SPD, sieben Jahre später wurde sie zum ersten Mal in den Bundestag gewählt. Das Ticket für die Parteikarriere hatte sie sich dadurch erworben, daß sie 1971 in Tübingen die erste große Frauendemo gegen den Paragraphen 218 und für die Fristenlösung initiierte. Der Frauenpolitik blieb sie treu, war einige Jahre auch Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen. Obwohl in früheren Jahren dem linken SPD-Flügel zugeordnet, war Herta Däubler-Gmelin nie eine Radikale. Sie beugt sich, wenn's die Parteiräson verlangt. Auch wenn das zu manchen Zickzacklinien führt. Wie etwa in Sachen Abtreibung, als sie zum Entsetzen vieler die Forderung nach ersatzloser Streichung des Paragraphen 218 in der Partei hintertrieb, gar dem Indikationenmodell gute Seiten abrang. Heute steht sie wieder fest zur Fristenlösung.
Und zur Quote. Und wenn die GenossInnen ihren diesbezüglichen Parteibeschluß erst nehmen, müßte eigentlich aus der bisher stellvertretenden demnächst eine Fraktionschefin werden. Die fachlichen Qualifikationen der Rechtsexpertin stehen außer Frage. Den Mund kann sie auf jeden Fall aufmachen. Auch wenn manchmal Krudes dabei herauskommt. Wie diesen Sommer etwa, als sie die Asyldebatte mit der Idee anreicherte, man solle das Volk via Befragung über die Zuwanderung von AusländerInnen entscheiden lassen.
„Ältere Frauen zwischen Resignation und Selbstbewußtsein“, heißt der Titel eines ihrer Bücher. Von Resignation ist bei der 48jährigen zumindest nach außen nichts zu spüren, von Selbstbewußtsein hingegen schon.
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