Ampel als paramilitärische Übung

■ Schweigende Unterhändler, und eine Frauenquote, die zu schaffen macht

In der Bürgerschaft herrscht eine Stimmung wie am Buß- und Bettag. Koaltionsverhandler kommen mit Leichenbittermiene aus dem Sitzungssal. „Das ist vielleicht eine Scheiße“ ist noch das Substantiellste, was zu hören ist. Andere schleichen, die Pressevertreter vor Augen, möglichst dicht an der Wand entlang zum Ausgang. Was, ein Interview- Wunsch, und das heute? „Für wie naiv hältst Du mich eigentlich?“ Auch Grüne können ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit der Situation angemessen verändern. Und die Situation heißt: Klappe halten, bis Sprachregelungen gefunden sind. Und außerdem ist heute abend Landesmitgliederversammlung, und da will jedes falsche Wort vermieden sein.

„Eine geschlossene Gesellschaft“, stellen auch Sozialdemokraten fest. Hochbezahlte Staatsräte sitzen in ihren Büros und möchten gerne zuarbeiten — doch niemand läßt sie. „Das ist eine paramilitärische Übung“, urteilt einer der es wissen muß. Und meint damit den Sitzungmarathon mit etwa 30 Leuten immer im gleichen Raum. Die Grünen, die schon seit gut 14 Tagen rund um die Uhr der Politiklust verfallen sind, machen einen angeschlagenen Eindruck. Bürgermeister Wedemeier wirkt noch verkniffener als üblich. Einzig FDP-Verhandler Jäger hat sich etwas Lockerheit bewahrt. Kein Wunder: Er hat es leicht mit den Seinen. Nicht wie bei den Grünen, wo zu jedem Punkt immer gleich zwei eine Meinung haben. Und nicht wie bei der SPD, wo Tine Wischer schonmal böse Blicke gen Bürgermeister Klaus Wedemeier wirft, wenn der mal nicht so ganz das SPD-Programm vertritt. Aber zum Glück gibt es in schwierigen Situationen immer noch den großen Henning Scherf, der Konsens sucht, wo Konsens zu haben ist.

Doch was wird mit Scherf, wenn die Ampel kommt? Und was mit Grobecker? Mit Kröning? Mit Kunick? Denn die Genossen plagt noch ein Spezialproblem: Eine Erweiterung der Senatorenzahl auf elf ist öffentlich nicht zu vermitteln. Bleiben zehn minus je zwei für Grüne und FDP. Und dann gibt es da auch noch die Quotenregelung in der SPD. Und die heißt: 40 Prozent der Plätze für Männer, 40 Prozent für Frauen und 20 nach Qualifikation. Aber wieviel sind 40 Prozent von sechs SenatorInnnen? Jedenfalls nicht nur zwei Frauen. Bei drei Senatorinnen gäbe es auch nur drei SPD- Männer in der Regierung. Wedemeier ist klar, Bremerhavens Beckmeyer muß, Scherf will. Aus also für Grobecker, Kunick und Sakuth. Aber was wird mit Kröning. Auf den repräsentativen Posten des Bürgerschaftspräsidenten soll wieder Dr. Dieter Klink, dem mag niemand wehtun. Also, so die findige Überlegung, könnte Kröning Sonderbeauftragter für die Reform der Bremer Landesverfassung werden und sich dort für den angestrebten Posten eines Richters am Bundesverfassungsgericht weiterqualifizieren.

Aber was ist mit der personellen Erneuerung? Auch Eva-Maria Lemke-Schulte, Aspirantin auf Arbeit, Gesundheit und Frauen, hat ihren Sitz so gut wie sicher. Bleibt Tine Wischer, aber für was? Und Barbara Noack, aber für wen? Es sei denn die Bremen-Norder haben aus der Proporzbesetzung der SPD-Fraktion neue Hoffnung geschöpft. Eine Kandidatin gibt es ja: Sabine Uhl. Und dann wäre die versprochene personelle Erneuerung endlich zum Ende gebracht. hbk