Echte Egozentrik

■ Stasi-Spitzel Schneider stellte sich der AL-Kreuzberg/ Höhnische Worte für die DDR-Aktionen der Grünen

Berlin. »Ihr habt doch Scheiße im Gehirn«, beschimpfte Dirk Schneider seine ehemaligen Parteigenossen von der Alternativen Liste Kreuzberg. Der inzwischen als langjähriger Stasi-Spitzel enttarnte Schneider stellte sich dem Plenum der AL-Kreuzberg am Dienstag abend — ein Treffen, daß eher gruselig denn informativ geriet. Schneider fühlte sich — keiner Schuld bewußt — als Opfer und hatte angeblich noch nicht einmal gewußt, daß er für die Stasi gearbeitet habe. Seine Kontaktleute in der DDR hätten ihm erzählt, sie seien dem Innenministerium verantwortlich. Die Aktionen der Grünen in der damaligen DDR habe er immer »gehaßt« und »zum Kotzen gefunden«, sie seien ein Medienspektakel gewesen und hätten nur dazu geführt, daß es massenweise Einreiseverbote gegeben habe. Sie hätten Bücher nach Ost-Berlin geschmuggelt und dort verteilt, als ob sie Eingeborenen Perlen schenkten, was doch »widerlich« sei, dabei hätte man sie einfach auf dem Postweg schicken können. Und die DDR-Oppositionellen hätten sich eben intelligenter anstellen müssen bei ihren Aktionen gegen den Staat.

Schneider forderte Verständnis, schließlich sei es nicht einfach, drei Kinder zu ernähren. Seine politische Karriere sei »vermutlich beendet«. Weit schlimmer als seine altbekannte Nummer zwischen falschem Pathos und echter Egozentrik war die Art, wie die Alternativen reagierten, nämlich zwischen Verständnis für Schneiders Stasi- Tätigkeit (»Ist doch klar, daß man konspirativ arbeiten muß, wenn man gegen den Staat kämpft«) und Empörung über die »Medienhetze«. Alle Parteimitglieder, die Schneiders Positionen jahrelang gebilligt hatten — darunter der jetzige Finanzchef Hirschmüller, der Abgeordnete Helms oder die ehemalige Bezirksverordnete Ahme —, ließen sich gar nicht erst blicken. Die wenigen aber, die es am Dienstag wagten, Schneider kritische Fragen zu stellen — etwa warum er die AL jahrelang belogen habe — mußten sich von ihm beschimpfen lassen. esch