Das Geldspiel mit den Obdachlosen

■ Betreiber von Obdachlosen-Pension will 100 Menschen rausschmeißen, wenn Sozialamt nicht zahlt

Kreuzberg. Hundert Kreuzberger haben ab Freitag womöglich kein Dach mehr über dem Kopf. Der Betreiber der Obdachlosenunterkunft »Haus Sonnenschein«, Haake, droht damit, die Leute auf die Straße zu setzen, komme das Kreuzberger Sozialamt nicht einer Zahlungsaufforderung in Höhe von 100.000 Mark nach. Dabei, so Betriebsleiter Juche gegenüber der taz, handele es sich um »aufgelaufene Rechnungen« aus den Monaten August und September. Man könne die Leute nicht mehr unterbringen, wenn »Kreuzberg die Kosten nicht übernimmt«.

Betreiber von privaten Obdachlosenquartieren müssen eigentlich nicht über leere Kassen klagen. Anwärter auf ein Bett gibt es genügend, finanziert wird dies vom bezirklichen Sozialamt. Weil solche Unterkünfte rar sind, Obdachlose aber untergebracht werden müssen, zahlen die Sozialämter. Vielen Betreibern reicht das jedoch nicht. Sie stellen mehr Betten auf, als ihnen das Bau- und Aufsichtsamt eigentlich genehmigt hat. Daß keine bezirksübergreifende Kontrolle über die Belegung stattfindet, machen sich andere wiederum zunutze, indem sie von mehreren Bezirksämtern für ein und denselben Platz kassieren.

Solche Praktiken vermutet die Kreuzberger Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer auch hinter den Mauern des Hauses »Sonnenschein«. Es sei verwunderlich, daß der Betreiber 100 Menschen auf die Straße setzen könne, wenn er eine offizielle Genehmigung für nur 88 Betten habe. Darüber hinaus seien Bewohner vom Betreiber zu Schwarzarbeit gezwungen worden. »Unter anderem mußten sie für acht Mark die Stunde Heizungen streichen, ansonsten wären sie rausgeschmissen worden.«

Rechtmäßig, so Junge-Reyer, stünden dem Betreiber jährlich rund 800.000 Mark zu. In Rechnung gestellt würden jedoch 1,3 Millionen. »Wir wollen ihm das Geld jedoch nicht mehr länger in den Rachen schmeißen. Deshalb haben wir ihn aufgefordert, bis zum 7. November nachzuweisen, wen er wo tatsächlich unterbringt.« Doch der Betreiber weigert sich. »Das Bauamt ist ständig vor Ort und weiß, daß wir kein Bett mehr belegen als genehmigt«, so Betriebsleiter Juche. Aufgrund der hohen Fluktuation sei eine konkrete Aufstellung jedoch nicht möglich.

Doch die Kreuzberger Sozialstadträtin will hart bleiben. Ohne den geforderten Nachweis werde auch nicht gezahlt. Dafür daß die besagten Menschen trotzdem ein Dach über dem Kopf haben, will sie persönlich sorgen. maz