Der Facharbeiter für Feinschmecker

Der stille Star Michael Klinkert geriet als Torschütze aus Versehen in den Mittelpunkt des DFB-Viertelfinalspiels Mönchengladbach gegen Stuttgarter Kickers — Borussia siegte 2:0  ■ Aus Gladbach Ch. Biermann

Prima. Langsam wird es richtig kalt und schön ungemütlich. Und deshalb sind wir im Stadion auch wieder unter uns. Vor allem das Vergnügen von Abendspielen hat exklusive Züge. Wenn die Kälte am Körper nagt und die Nasen weitgehend rot leuchten, der Eismann völlig unbeachtet seine Runden dreht und wieder Glühwein im Sortiment ist, kommen nur noch wahre Feinschmecker oder hemmungslose Dauerhungrige. 13.500 von ihnen waren es am Dienstag abend auf dem Böckelberg. Die Teilzeitjubler saßen derweil gemütlich auf dem Sofa und guckten Kampf um Rom, zweiter Teil, danach Twin Peaks und später die Zusammenfassung des Spiels in der Sportschau.

Aber was wissen die schon. Und von den Trainern lassen wir uns natürlich auch nichts erzählen. Zobel und Gelsdorf haben hinterher natürlich auf Borussias Keeper Uwe Kamps gesetzt, weil der in der Schlußviertelstunde mit seinen Paraden den Sieg gerettet hat. Die Trainer lieben eben auch nur das Sensationelle und Spektakuläre. Danach haben sie sich das Spiel noch ein bißchen schön geredet — Verlierer Zobel sprach von einem „sehr interessanten Spiel“ und Sieger Gelsdorf von einem „sehr guten Spiel in der ersten Halbzeit“.

In Wahrheit war es nicht so toll und auch kein dramatischer Pokalfight. Das liegt aber auch daran, daß deutsche Fußballer generell die Idee des Pokals nicht verstehen. Auf ein braves Punktesammeln in der Bundesliga abgerichtet, führt das plötzliche „Sein oder Nicht sein“ des Pokalwettbewerbs zu Irritation und Unverständnis. Die Stuttgarter Kickers machten das nochmals deutlich, sie brauchten eine ganze Halbzeit, bis sie verstanden hatten, — oder hatte ihr Trainer es ihnen in der Pause nochmals gesagt? — daß es keinesfalls darum ging, ein Unentschieden zu holen, sondern daß sich auf dem Böckelberg ihr Pokalschicksal auf jeden Fall entscheiden würde.

Aber als ihnen das dämmerte, lagen sie bereits mit einem Tor hinten. Torschütze war einer, der ganz geschmäcklerisch als der stille Star des Abends gefeiert werden soll: Michael Klinkert. Wunderbar, einen Mann zu beobachten, der Fußball arbeitet, wie einer, der schon mit 23 Jahren das goldene Betriebsjubiläum anpeilt. Vom Trainer instruiert, wird jede Anweisung treu und sauber umgesetzt. Und jeder Fußtritt sitzt.

Brav hat der auf Markus Marin, den Stuttgarter Himmelstürmer aufgepaßt und ihn tapfer und in bester Abwehrreckenmanier 90 Minuten lang bekämpft. Natürlich ohne eine Miene dabei zu verziehen, soweit man das von den Rängen ausmachen konnte. Wie vom Trainer beauftragt, war der Facharbeiter mit der Drei auf dem Rücken aber auch immer wieder nach vorne getrabt, bei Freistößen etwa oder auch so.

In der 19. Minute hatte er Thomas Eichin zugenickt, das Zeichen für diesen, die Bewachung von Marin zu übernehmen. Bald hinter der Mittellinie hatte Klinkert den Ball zugespielt bekommen und trieb ihn nun vor sich her. Ganz der Abwehrspieler, schaute er sich abspielbereit um, aber niemand bot sich an. Weil ihn aber auch kein Gegenspieler angriff, wuchtete er den Ball und sich weiter und weiter. Je näher er dem Tor kam, desto lauter wurde es im Stadion und fast schien ihm soviel Präsenz im Spiel etwas unangenehm zu sein. Schon war die Strafraumgrenze nah, als er aufs Tor schoß.

Kickers-Torwart Claus Reitmeier meinte, daß er diesen Ball hätte halten müssen, der da kurz vor ihm aufgesprungen war und ins lange Eck rutschte. Aber das war der Selbstkritik wohl zuviel. Torschütze Michael Klinkert hatte sich da schon längst wieder in die eigene Hälfte zurückgezogen und ging den Rest der Spielzeit seiner Verrichtung nach, so gut er konnte und war eigentlich nicht mehr gesehen.

Mönchengladbach: Kamps - Fach - Klinkert, Stadler - Kastenmaier, Eichin, Schneider, Meier (85. Stefes), Neun - Max (74. Wynhoff), Salou.

Stuttgarter Kickers: Reitmaier - Wolf (66. Moutas) - Novodomsky, Ritter - Schwartz, Wörsdörfer (35. Cayasso), Tattermusch, Kula, Imhof - Vollmer, Marin.

Zuschauer: 13.500.

Tore: 1:0 Klinkert (19.), 2:0 Kastenmaier (90.)