Bei Müller-Milch stinkt's langsam käsig

Müller-Milch hat Schwarzbauten errichtet/ Landratsamt Augsburg greift mit Zwangsgeldandrohung durch/ Im Pfandstreit bleibt Gauweiler hart/ Einer Firma, die Plastikmüll produziert, könnten keine Sonderrechte eingeräumt werden  ■ Von Klaus Wittmann

Augsburg/München (taz) — Kaum hatte der schwäbische Milchbaron Theobald Müller die harte Anklagebank des Augsburger Amtsgerichts wieder verlassen, geht für den erfolgreichen Molkereimeister (508 Millionen Mark Jahresumsatz) der Ärger weiter. Dem Gerichtsverfahren entkam der Milchbaron zwar recht glimpflich. Die Richter sanktionierten das von seiner Firma verursachte Fischsterben im Jahre 1989 lediglich mit einer Geldbuße in Höhe von 10.000 Mark. Das Verfahren wurde eingestellt. Aber ansonsten gibt es für ihn derzeit wenig Grund zur Freude. Das Landratsamt Augsburg, das jahrelang in Sachen Müller viel Geduld an den Tag gelegt hat, greift hart durch. Gleiches gilt für das bayerische Umweltministerium.

Ungewohnt offen bestätigt der Leiter des Bauamtes im Landratsamt Augsburg Josef Gediga, was lange Zeit nur Vermutung war: „Die Firma Müller-Milch hat einige Dutzend Schwarzbauten errichtet. Es gibt einiges aufzuarbeiten.“ Die meisten der Schwarzbauten seien riesige Milchtanks, aber auch das große Becherwerk I fällt darunter. Und für alle diese ohne Baugenehmigung errichteten Firmenbauten muß jetzt nachträglich ein ordentliches Verfahren eingeleitet werden. Laut Gediga soll Müller-Milch sogar noch im Frühjahr versucht haben, Schwarzbauten zu errichten. „Aber wir sind strikt eingeschritten mit Baueinstellungen und Bußgeldbescheiden. Wir werden auch alles andere, was noch fehlt — seien es Gutachten oder Messungen — per Bescheid anfordern und auch gleich immer ein Zwangsgeld festlegen.“ Alleine in diesen Tagen werden sieben Bescheide mit einer Zwangsgeldandrohung von jeweils 10.000 Mark an die Firma Müller geschickt.

Klagen der Bürger sind voll berechtigt

Nach langen Verzögerungen liegt jetzt endlich auch das seit mehr als einem Jahr geforderte Gesamtlärmgutachten vor. Obwohl darin laut Josef Gediga nur 50 Prozent der erforderlichen Messungen enthalten sind und noch kräftig nachgemessen werden muß, sind doch ganz erhebliche Dinge aufgefallen. „Die Klagen der Nachbarn sind voll berechtigt. Der Lärm an der Milchannahmestelle mitten im Ort ist nicht länger zumutbar. Die Milchannahme wird wohl an dieser Stelle nicht zu sanieren sein und verlagert werden müssen. Auch bei den riesigen Milchtanks wird mit den Rührwerken und Pumpen zuviel Lärm erzeugt, ebenso bei den Granulattanks für die Plastikbecherproduktion. Auch hier muß dringend etwas geschehen“, sagte der Bauamtschef.

Aber was ist, wenn Müller-Milch, wie so oft in der Vergangenheit, auf „stur“ schaltet? „Dann droht dem Unternehmen in letzter Konsequenz die Stillegung ganzer Betriebsteile“, sagt Gediga entschlossen. Und dann berichtet er auf unsere Nachfrage hin, wie man bei der Großmolkerei erst jüngst wieder bei Messungen verfahren ist, als der TÜV im Auftrag von Müller das große neue Becherwerk II abnehmen sollte, und zwar ausdrücklich unter Vollastbetrieb: „Der TÜV kam zu diesen Messungen, und dabei ist festgestellt worden, daß das Werk nicht mit voller Kapazität lief. Daraufhin ist der TÜV wieder abgezogen.“ Er wird in Kürze wiederkommen. Und bei jeder Messung wird zur Kontrolle ein Immissionsschutzingenieur vom Landratsamt dabei sein.

Unter Zwangsgeldandrohung wird von Müller-Milch auch ein Gutachten über den Gestank im Ort, ein lufthygienisches Gutachten, sowie eim umfassendes Verkehrsgutachten angefordert. Außerdem hat die Firma, nur kurze Zeit nach dem 375.000-Mark-Bußgeldbescheid wegen illegaler Grundwasserentnahme am vergangenen Freitag, einen weiteren folgenschweren Bescheid erhalten. Im sogenannten „Pfandstreit“ um die beiden Produkte „Multivitamin- und Blutorangendrink“ wird der Firma eine Frist von drei Monaten gesetzt, diese Drinks auf ein Mehrwegesystem umzustellen, fünf Pfennige Pfand zu erheben und leere Becher zurückzunehmen. Genau dazu wurde die Firma ja vor kurzem auch vom Landgericht Köln, Abteilung Wettbewerbsrecht, verurteilt, und genau diesen Bescheid hat das bayerische Umweltministerium angekündigt. Gegen das Kölner Urteil hat Müller- Milch Rechtsmittel eingelegt, doch zu einer Stellungnahme zum jüngsten Bescheid war die Geschäftsleitung nicht bereit.

Gauweiler bleibt hart

Inzwischen hat sich auch der bayerische Umweltminister Peter Gauweiler zum Pfandstreit mit Müller-Milch geäußert. „Die Firma hat versucht, sich der Pfandverordnung dadurch zu entziehen, daß sie zehn Prozent Süßmolke in ihre Drinks gemischt haben und somit ein Lebensmittel eigener Art entstanden sei. Jeder weiß, daß wir in der Bundesrepublik an Plastikverpackungen zu ersticken drohen. Da kann sich niemand, nur weil er öffentlich Spektakel macht, einfach dieser Verordnung entziehen.“ Gauweiler bestätigt uns, daß sich Müller bei Ministerpräsident Max Streibl über ihn beschwert und Bundesumweltminister Klaus Töpfer in zwei Briefen um Unterstützung im Pfandstreit gebeten hat. Das Unternehmen hatte den Eindruck erweckt, das Bundesumweltministerium würde — anders als das Gauweiler-Ministerium — die Pfandfrage zugunsten von Müller- Milch bewerten. „Das hilft ihm nichts, wenn er versucht, sich mit dieser Beschwerde dem normalen Gesetzesvollzug zu entziehen. Einem Unternehmen, das unübersehbaren Plastikmüll produziert, können doch keine Sonderrechte eingeräumt werden. Zum Brief des Bundesumweltministers an den Herrn Müller ist zu sagen, daß Töpfer die Auffassung des bayerischen Umweltministeriums teilt, ganz abgesehen davon, daß es auf eine solche Auslegung des Bundesumweltministeriums gar nicht ankommt, weil in diesem Falle die Länder zuständig sind.“ Es scheint nicht mehr sonderlich weit her zu sein mit Müllers heißem „Draht nach oben“. „Der einzige Draht, den er zur Verfügung hat, ist der Rechtsweg“, sagt Gauweiler. Diesen Rechtsweg hat Müller in Form einer Feststellungsklage beim Verwaltungsgericht Augsburg auch eingeschlagen.

Andere Klagen strengt die Firma ganz ohne Druck von außen von sich aus an. Zum Beispiel gegen den schärfsten Kritiker, Raimund Kamm. Gegen den Landtagsabgeordneten der Grünen, der den Stein durch mehrere Parlamantsanfragen erst ins Rollen gebracht hatte, ließ Müller den Streitwert einer Privatklage auf fünf Millionen Mark festsetzen, nachdem er auf strafrechtlichem Weg bislang gegen Kamm nichts ausrichten konnte. „Durch die Prozeßkosten allein soll ich finanziell ausgeblutet, an die Wand gedrückt werden“, ärgert sich Kamm, den Müller wegen einer umstrittenen Äußerung zu seinen Polystyrol-Bechern am Wickel hat.

Und weil ganz offensichtlich Pfandstreit und 375.000 Mark Bußgeldverfahren, Kläranlagenstreit und all die neuen Auflagen nicht ausreichen, hat sich die Firma Müller auch noch mit zwei Bussen voll mit Wirtschaftsspitzenkräften angelegt. Als nämlich im September Mitglieder des Technischen Vereins zur lange vereinbarten Betriebsbesichtigung kommen wollten, wurden sie unmittelbar vor der Abfahrt von Müller kaltschnäuzig wieder ausgeladen — wegen einer angeblichen Hetzkampagne, die gegen die Firma laufe.

„Ich kann das nur als eine Kurzschlußreaktion dieses Mannes bezeichnen. Wir wären doch als Freunde, nicht als Kritiker gekommen“, empört sich Vereinsvorstand Alfred Kosebach (63). So etwas sei in der beinahe 150jährigen Vereinsgeschichte noch nie vorgekommen. Dabei sind in dem renommierten Wirtschaftsklub hochgestellte Persönlichkeiten aus der Wirtschaft, vom Bankdirektor bis zum Manager, vereint. Auf ihrer nächsten Vorstandssitzung werden sie sich noch einmal mit dem Vorfall befassen.