Kein Einzelfall

■ Schon vor dem Golfkrieg hat Israel offenbar versucht, über Hamburg an sowjetisches Kriegsgerät zu kommen

Die geheime Panzerlieferung an den israelischen Geheimdienst Mossad, die dem Bundesnachrichtendienst (BND) am Wochenende im Hamburger Freihafen von der Wasserschutzpolizei vermasselt worden ist, war offensichtlich kein Einzelfall. Schon in der Vorphase des Golfkriegs, so ein zuverlässiger Informant gegenüber der taz, hätten die Israelis versucht, an sowjetische Panzer heranzukommen. Im Sommer dieses Jahres hätten Geheimdienstkreise aus den baltischen Staaten klandestine Abstellmöglichkeiten für sowjetisches Kriegsgerät im Hamburger Hafen gesucht. Eine vom Mossad im Ostblock zusammengekaufte Schiffsladung mit gepanzerten Kettenfahrzeugen und anderen Waffensystemen sollte über einen baltischen Hafen zur Spurenverwischung zunächst nach Finnland verschifft werden. Von dort sollte dann ein neutrales Schiff die heiße Fracht in den Hamburger Freihafen schleusen. Ein direktes Umladen auf einen israelischen Frachter hätte sich „aus Sicherheitsgründen“ verboten, sagte der Informant. Deshalb hätten die Geheimdienstler im Freihafen leerstehende Gebäude und ungenützte Flächen inspiziert, um die Fracht vor den Zollfahndern verstecken zu können.

Bisher ist unklar, ob der baltische Deal bereits abgewickelt wurde. Möglich ist, daß sich zur Zeit noch unentdecktes sowjetisches Kriegsmaterial im Hamburger Freihafen befindet. Nicht ausschließen wollte der Informant, daß der BND auch in dieses Geschäft verwickelt war oder zumindest von ihm gewußt hat.

Von Tag zu Tag kommt mehr Licht in die Schmuggelaffäre. Gestern jettete die Hamburger Staatsanwaltschaft, die wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt, nach München. Dort verhörte sie BND- Mitarbeiter, die in die Abwicklung des Waffengeschäfts verwickelt waren. Auch das Bundesverteidigungsministerium steht im Visier der Ermittlungsbehörde. Während die Hamburger Staatsanwaltschaft gestern noch eine komplette Liste der beschlagnahmten Waffen vor der Öffentlichkeit zurückhielt, plauderte das Bundesverteidigungministerium aus, was es „dem BND zur Verfügung gestellt“ hatte. Geliefert wurde eine komplette, gepanzerte Flugabwehreinheit des aufgelösten DDR- Heeres — vollgestopft mit modernster Elektronik und wahrscheinlich voll einsatzbereit. Dazu ein Luftraumüberwachungsradar, ein Flugzielerfassungs- und Verfolgungsradar, eine Transport- und Starteinrichtung für Flugabwehrraketen — alles auf gepanzerten Kettenfahrzeugen —, ein Radarstörkörperwerfer mit drei Abschußgestellen, vier Brückenlegepanzer, sieben leicht gepanzerte Führungsfahrzeuge und Spezial-LKWs sowie zwei Container mit Ersatzteilen.

Noch nicht bekannt ist, ob die brisante Lieferung nun Stück für Stück oder, wie bei dem geplanten baltischen Deal, per Schiff in den Hamburger Freihafen geschmuggelt wurde. Obwohl die Hamburger Staatsanwaltschaft die beschlagnahmten Waffen so schnell wie möglich in eine Bundeswehrkaserne schaffen möchte, um sie dort in Ruhe inspizieren zu können, standen die siebzehn Fahrzeuge und zwei Container gestern immer noch im Freihafen herum. Peter Hermes, Hamburg