Unfähig: Minister oder Ministerien?

■ Entweder lügen die Minister Stoltenberg und Stavenhagen, oder sie haben die Kontrolle über ihre Unterlinge verloren. Das belegt ein der taz vorliegendes Geheimpapier zwischen Hardthöhe und BND.

Unfähig: Minister oder Ministerien? Entweder lügen die Minister Stoltenberg und Stavenhagen, oder sie haben die Kontrolle über ihre Unterlinge verloren. Das belegt ein der taz vorliegendes Geheimpapier zwischen Hardthöhe und BND.

Konrad Porzner, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) und Mitglied der SPD, bedauert: Die Entscheidung über die geplante Lieferung von Panzerfahrzeugen nach Israel hätte mit ihm abgestimmt werden müssen — was nicht geschehen und „sehr bedauerlich“ sei. Die Schuldigen, die den Skandal um die beabsichtigte Verschiebung von Waffensystemen unter Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz in Gang gesetzt haben, sind gestern offenbar gefunden worden. Eine Koordinierungsgruppe, in der Beamte des Verteidigungsministeriums und des Bundesnachrichtendienstes gemeinsam vertreten sind, soll es gewesen sein, die das Kriegsgerät an den befreundeten israelischen Geheimdienst Mossad verschieben wollte. Porzner, der ebenso wie der für die Koordinierung der Geheimdienste zuständige Kanzleramtsminister Stavenhagen (CDU) und wie Verteidigungsminister Stoltenberg (CDU) zu keiner Zeit von den Vorgängen unterrichtet worden sein will, urteilte gestern am Rande der Sitzung des Verteidigungssausschusses: „Sie hätten berichten müssen. Es ist nicht geschehen, das ist der Fehler.“ Die quer durch alle Parteien erhobene Forderung nach Konsequenzen scheint den BND-Chef nicht unbeeindruckt zu lassen. Er trage die Verantwortung, erklärte Porzner, er hänge nicht an Ämtern.

Wenn es denn stimmt, daß weder die Amtsspitze der Hardthöhe, noch die Pullacher Zentrale des Bundesnachrichtendienstes noch das Bundeskanzleramt in den dubiosen Waffendeal eingeweiht waren, so müßten mögliche Konsequenzen eigentlich in allen drei Bereichen gezogen werden. Schließlich schlossen bereits im Herbst 1979 der Chef des Bundeskanzleramtes, der Bundesverteidigungsminister und der Präsident des Bundesnachrichtendienstes eine verbindliche „Rahmenvereinbarung“, in der die Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen den Militärs und dem Geheimdienst detailliert festgelegt wurden. Der Vertrag ist „VS-vertraulich, amtlich geheimgehalten“ gestempelt, 13 Seiten dick und mit dem Aktenzeichen „BK-AZ. 65- 151 00 — Zu 2/30/79 VS-Vertr.“ versehen.

Entscheidung auf „mittlerer Ebene“

In ihm wurde unter anderem auch die „Zusammenarbeit mit ausländischen Verteidigungsministerien und Nachrichtendiensten“ geregelt und ausdrücklich von einer Kooperation mit militärischen Nato-Dienststellen unterschieden.

In dem Paragraphenwerk, das der taz vorliegt, verpflichteten sich die Beteiligten: „Treten bei dieser Zusammenarbeit Überschneidungen der Zuständigkeiten auf, stimmen sich Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst, erforderlichenfalls der Chef des Bundeskanzleramtes und der Bundesminister der Verteidigung (...) untereinander ab.“ Der Vertrag trat am 11. September des Jahres in Kraft. Die geplante und nun von der Hamburger Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Lieferung waffentechnischer Systeme aus NVA-Beständen an den israelischen Geheimdienst — darunter auch die nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz zweifelsfrei genehmigungspflichtige Weitergabe einer Transport- und Starteinrichtung für Flugabwehrraketen und zwei Flugabwehrsysteme mit Zielverfolgungsradar — hätten nach diesen Bestimmungen automatisch zur Chefsache erklärt und im Bundeskanzleramt entschieden werden müssen. BND- Chef Konrad Porzner erklärte gestern, daß die Angelegenheit auf „mittlerer Ebene“ entschieden wurde. „Personelle Konsequenzen“ erwartete Verteidigungsminister Stoltenberg gestern aber nicht. Im Anschluß an die gestrige Sitzung des Verteidigungsausschusses erklärte er nur, künftig müsse sichergestellt werden, daß bei einer wehrtechnischen Zusammenarbeit außerhalb der Nato, „wenn es denn im Einzelfall in Frage kommt, die politischen Instanzen voll einbezogen sind und die Verantwortung voll tragen“.

Enge Kooperation von BND und Bundeswehr

Aus der Rahmenvereinbarung wird auch ersichtlich, wie eng Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst kooperieren. Neben der Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten und anderen Nato-Partnern wird die Aufgabenteilung auch für folgende Bereiche geregelt:

—Aufklärungforderungen an den Bundesnachrichtendienst

—Nachrichten- und Erkenntnisaustausch

—Fernmelde- und elektronische Aufklärung

—Aufklärung der Raumfahrt

—Soldaten im Bundesnachrichtendienst

—und Unterstützungsleistungen der Bundeswehr.

Beim zuletzt genannten Punkt wird die Bundeswehr ausdrücklich verpflichtet, den BND „insbesondere durch Transporte, Gestellung von Geräten und Liegenschaften sowie der Abdeckung von Personal und Dienststellen“ zu unterstützen. Darauf mag sich auch die gemeinsame Koordinierungsgruppe von Bundeswehr und BND gestützt haben, als sie die NVA-Panzer von der Bundeswehr für den Export nach Israel bereitstellen und verpacken ließ. Entsprechend der Schlußbestimmung des Vertrages hätten die Chefs der Offiziere dabei aber ein Wörtchen mitzureden gehabt. In der Schlußbestimmung des Vertrages heißt es schließlich: „Der Chef des Bundeskanzleramtes und der Bundesminister der Verteidigung stimmen jährlich eine Auflistung der gültigen Einzelvereinbarungen miteinander ab.“ Wolfgang Gast