Harlem Nights

■ Jennie Livingstons Dokumentation »Paris is burning«

Robert Redford persönlich lud die 23jährige Regisseurin Jennie Livingston auf sein jährliches Sundance-Festival ein — und ihr Erstling Paris is burning wurde auf dem Edelfestival mit Preisen überschüttet. Andere Festivals auf der ganzen Welt legten noch drauf. Ein Preisregen für Dokumentarfilme ist keine Seltenheit, daß Dokumentarfilme aber auch Publikumsrenner mit wochenlangen Laufzeiten werden, das ist Rarität, und das ist Paris is burning gelungen.

Die weiße Young-Urban-Professionel-Regisseurin Jennie Livingston geht mit uns in Clubs, die noch kein Weißer vorher gesehen hat, und die Clubs liegen in Gegenden, in denen die Straßen keine Namen haben: Harlem. Hier wohnen die, die in New York nichts zu lachen haben: Schwarze und Latinos.

Der Film feiert die, die in dieser schwarzen, kaffeebraunen Machogesellschaft doppelt diskriminiert sind. Drags, Tunten, Trinen. Die Dramen der Damen. Zweifel und Zwickel. Der Empire-Ballroom ist ihre Welt, einmal pro Woche. Hier sind die Tunten keine Schande, hier sind sie sie. Es rauschen die Roben, stöckeln die Schuhe, kreischen die Schrillen, leben die Stillen auf. Vorher, daheim, nähen sich die Aschenputtel die Finger blutig, sticken Pailletten auf Brokat und Samt, schockieren First-class-Schuhboutiquen mit dem Wunsch nach zierlichen Pumps in Größe 46. Im wöchentlichen Ballroomdancing raven, waven und voguen die Königinnen der Nacht. Phantasie regiert die Kreativität. Jennie Livingstons Kamera ist fasziniert und neugierig, in Paris is burning aber nie Voyeur, sie ist einfach nur da, wenn schon nicht ein Teil der schwarzen, unbekannten Subkultur des schwulen New York, so ein neutraler Beobachter voller Sympathie für jene andere Kraft im Leben der Tunten.

Die Tänze, die hier kreiert werden, sind Monate später auf den MTV-Videos zu sehen, und die Kids der Welt tanzen dann die Ideen der Tunten nach. Auf den Bällen ist nichts echt, die Stile sind gestylt, die Gesten original imitiert, aber das heißt nicht, daß hier etwas falsch wäre, künstlich oder nicht aufrichtig.

Nicht die Wettbewerbe in den Ballrooms sind Parodie auf eine schwule Kultur, sie sind Parodien auf das Anständige und Genormte, das, was vor der Tür bleibt. Welche Tunte trägt die schönste Uniform, welche Schwuchtel läuft männlicher, als die Polizei erlaubt? — Nightclubbing. Aus über 70 Stunden Film und 30 Stunden Tonbandaufzeichnungen hat Jennie Livingston eine faszinierende 75-Minuten-Dokumentation geschnitten, die nur zeigt — und damit vieles erklärt. Weil Paris is burning gar nicht geschwätzig ist, sagt er alles! reve