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Marktleute fürchten Privatisierung

■ Nach einem Senatsbeschluß sollen alle kommunalen Wochenmärkte privatisiert werden/ Friedrichshain und Charlottenburg wollen das verhindern/ Steigende Standmieten erwartet

Berlin. Auf den Berliner Wochenmärkten rumort es: Laut einem Senatsbeschluß vom 8. Oktober sollen im Zuge der allgemeinen Sparmaßnahmen des Landes Berlin die in öffentlicher Hand befindlichen Märkte privatisiert werden. Betroffen wären von dieser Maßnahme insgesamt 13 Bezirke. Vor allem in Friedrichshain und Charlottenburg haben sich Marktleute und Bezirkspolitiker zusammengefunden, um die Maßnahme zu verhindern.

Auf dem Markt in der Friedrichshainer Bersarinstraße hingen gestern große Transparente, und zusammen mit Socken, Eiern oder Brot wurden den KundInnen Unterschriftenlisten gereicht, die später an den Wirtschaftssenator weitergeleitet werden sollen. Hier fand gestern eine gemeinsame Pressekonferenz des Friedrichshainer Wirtschafts- und Finanzstadtrates Helmut Winkler und seines Charlottenburger Amtskollegen Helmut Heinrich statt. Beide befürchteten, daß als Folge der Privatisierung die Standmieten durch die privaten Pächter so drastisch erhöht werden, daß vor allem die »kleinen« Händler in ihrer Existenz bedroht würden. Unter anderen die Händler aus dem Umland, gelte es nun, laut Heinrich, zu schützen. Winkler sah die Wochenmärkte zudem als wichtige Preisregulatoren, die bereits in der Vergangenheit die Preisdiktate der Supermärkte und Kaufhallen im Ostteil der Stadt gebrochen hätten. Die niedrigen Preise ließen sich jedoch, so Heinrichs Befürchtung, nach einer Erhöhung der Standmieten nicht aufrechterhalten.

Wie die Marktleute ermittelten, sind die Standmieten auf privaten Berliner Märkten etwa viermal höher als auf kommunalen Märkten. »Dann können wir wohl gleich wieder einpacken«, ahnte eine Marktfrau, die seit einem Jahr an einem winzigen Stand Eier verkauft.

Der Sprecher von Wirtschaftssenator Meisner (SPD), Holger Hübner, verstand die ganze Aufregung um die Privatisierungsbestrebungen nicht. Gegenüber der taz erklärte er, daß es sich hier erstens um einen Beschluß »in die Zukunft hinein« handele, das heißt ohne festen Stichtag. Zweitens könnten die einzelnen Bezirke ja gerne ihre Märkte in Eigenregie übernehmen.

Genau den umgekehrten Weg ist Anfang dieses Jahres der Bezirk Neukölln gegangen. Wie aus dem Wirtschaftsamt Neukölln zu erfahren war, waren hier jedoch nicht Sparmaßnahmen der Grund für die Umwandlung, sondern die Überlegung, daß Behörden als Unternehmer zu schwerfällig arbeiten. Durch einen sorgfältig ausgearbeiteten Privatvertrag habe man Sicherheitsmechanismen für die Marktleute eingerichtet und bisher auch noch keine Klagen zu hören bekommen. Sonja Schock

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