Erotik der Langsamkeit zwischen Ost- und Westfrauen

■ Ost- und Westfrauen diskutierten in Berlin über die Perspektiven des gesamtdeutschen Feminismus

Berlin (taz) — Bilder einer Vorstellung: „Ein bißchen Männerhaß steht jeder Frau“ — mit diesem knackigen Satz faßt Ursula G.T. Müller, Mathematikerin und Gleichstellungsbeauftragte an der Universität Hannover, ihre Erfahrungen aus 20 Jahren westdeutschem Feminismus zusammen. Ihre Aufforderung zum frechfröhlichen feministischen Dressing wurde zum Titel eines neuen Sammelbandes, den die Ostberliner Philosophin Christine Eifler herausgegeben hat und jetzt in der Berliner „galerie leo.coppi“ einem gemischten Ost-West-Publikum vorstellte.

Bilder einer Ausstellung: Die räumliche Konstellation unter den Bildern einer Ausstellung geriet ungewollt zu einer symbolischen. Vor dem Podiumstischchen stand, als fände in einem Universitätsraum gerade die Einführung in die neue wissenschaftliche Disziplin der feministischen Anatomie statt, ein nackter Mann. Eine Plastik, schwarz, nackt und von fast mitleiderregender Einsamkeit. Und dennoch, trotz Einsamkeit war er es wieder, der Mann, der im Mittelpunkt aller Blicke stand: Nach wie vor bildet das patriarchalische Einzelteil das geheime Zentrum fast aller Welterklärungen. Die Frauen jedoch, die in der Diskussion ihre Empörung darüber äußerten, sprachen ins Blinde. Sie konnten einander nicht sehen. Säulen verstellten den Blickkontakt zwischen Frau und Frau, zwischen Ost und West, und forderten heraus, was der Feminismus eh verlangt: das Denken um die Ecke.

Bilder einer Vorstellung: Unter dem Portrait eines depressiv wirkenden DDR-Mannes schwärmte Herausgeberin Christine Eifler vom Feminismus, der vieles einlöse, was der Marxismus nur versprochen habe: „Er ist parteilich und geht von Interessen aus.“ Er fordere, daß die Welterklärung das einzelne Subjekt einbeziehen müsse und mache im Gegensatz zum Realsozialismus historischen Fortschritt daran fest, ob er den Individuen weiterhelfe. Gleichzeitig stelle er ein offenes Theoriegebäude dar, in dem an „einer ungeheuren Breite von Erklärungsansätzen“ gearbeitet werde, ohne eine allgemeine Welttheorie liefern zu wollen. Das aber, fand die Philosophin Eifler, sei durchaus auch ein „schwer auszuhaltender Prozeß“: „Der Feminismus wirft die Frauen immer auch auf sich selber zurück. Insofern muß man fast warnen vor ihm: Er hat viel mit Schmerz zu tun und wenig mit Hoffnung auf eine vernünftige Zusammenarbeit mit Männern.“

Bilder einer Ausstellung: Unter düsteren Landschaften in den DDR-nahen Farben Braun und Grau wurde „Schmerz“ zur Vokabel des Abends. Die Annäherung zwischen den Frauen in den „zusammenwuchernden Deutschländern“ sei eine „schmerzhafte“, befand Christine Eifler. Weil auch dieser deutsch-deutsche Dialog gescheitert sei, habe sie in ihrem Buch keinen künstlichen Vergleich zwischen östlichem und westlichem Feminismus unternehmen wollen. Sie habe sich viel mehr für die ganz persönliche Bilanz interessiert, die westdeutsche Feministinnen nach 20 Jahren Frauenbewegung für sich selbst zögen. „Ein Vergleich wäre paralysierend“, befand auch Mitautorin Eva Koch-Klenske.

Bilder einer Vorstellung: „Wir kamen zwischen Ost und West bislang auf überhaupt keinen Nenner“, glaubte eine sich in den Vordergrund drängende Diskutantin aus West-Berlin. Sie sei „Feministin der ersten Stunde“ und habe sich abgemüht, frauenpolitische runde Tische zu initiieren, sei aber über das Ergebnis sehr frustriert. Dabei könne man es aber angesichts der jetzigen „schlimmen und verbrecherischen“ Behandlung der früheren DDR-Frauen nicht bewenden lassen. Das mochte Eva Koch-Klenske so nicht stehenlassen: „Es ist doch grotesk, daß eine Westfrau über die Kosten der Vereinigung für die Ostfrauen redet. Das ist eine Spielart politischer Kolonialisierung.“ Auch Sibyll Klotz, Abgeordnete des „Unabhängigen Frauenverbands“ im Berliner Parlament, hatte es „satt, immer zu hören: Mach erst mal den feministischen Grundkurs. Vieles aus dem Westen will ich überhaupt nicht nachmachen.“ Inzwischen zögen sich die West- und Ostfrauen wieder auf ihr jeweiliges Territorium zurück. Sibyll Klotz plädierte nicht ohne Leidenschaft für die Erotik der Langsamkeit in der feministischen Annäherung zwischen Ost und West: „Das wird seinen ganz langsamen Weg gehen, und das ist nicht das Schlechteste.“ Ute Scheub

„Ein bißchen Männerhaß steht jeder Frau“, herausgegeben von Christine Eifler, Ch.Links Verlag, Berlin-Ost, 24,80 DM.