Baut auch Iran an einer Atombombe?

■ Angeblich neue Erkenntnisse über chinesische Hilfe für das iranische Atomprogramm führen zu „Besorgnis“ in den USA/ Überraschungsentscheidung: China tritt dem Sperrvertrag vorerst nicht bei

Berlin (afp/dpa/wps/taz) — Der Iran soll mit Hilfe der Volksrepublik China an einem Atomwaffenprogramm arbeiten. Das berichtet die 'Washington Post‘ unter Berufung auf US-Regierungskreise in ihrer Mittwochsausgabe. Danach bemüht sich der Iran um entschieden mehr Nukleartechnologie, als für das offiziell von Teheran erklärte Ziel — Bau ziviler Atomanlagen — notwendig sei. Noch sei das iranische Atomprogramm „in einem sehr primitiven Stadium“ und längst nicht soweit wie etwa das irakische, das nach Einschätzung von UN-Inspektoren in 12 bis 18 Monaten eine Atombombe hätte einsatzbereit haben können. Die chinesischen Materiallieferungen an Teheran, darunter eine Urananreichungsanlage, reichen nach Einschätzung von US-Beamten nicht aus, eine Atombombe zu bauen.

Den Informationen der 'Washington Post‘ zufolge zirkulieren Berichte über die Zusammenarbeit Chinas und des Iran im Atom-Geschäft bereits seit mehreren Jahren bei US- Politikern. „Wir nehmen an, daß es eine Form der Zusammenarbeit zwischen Iran und China gibt“, bestätigte der Staatssekretär im Außenministerium Richard H. Solomon am Mittwoch gegenüber einem Senatsausschuß, man habe bereits in dieser Angelegenheit mit den Chinesen geredet und wolle das auch weiterhin tun.

Immerhin zeigt sich die US-Administration nun zum ersten Mal öffentlich „tief beunruhigt“ über den Stand der atomaren Zusammenarbeit zwischen den Regierungen in Peking und Teheran. Das war trotz des angeblichen Informationsstandes nicht immer so. US-Demokraten erinnerten jetzt noch einmal, daß erst im Juni dieses Jahres der stellvertretende US-Außenminister Eagleburger und der damals designierte US-Botschafter in Peking Stapleton Roy versichert hätten, China helfe dem Iran nicht beim Aufbau eines Atomprogrammes. Möglicherweise hätte Präsident Bush damals im US-Kongress nicht seinen Wunsch nach einer Erneuerung der Wirtschaftsverträge mit China inklusive einer heftig umstrittenen Meist-Begünstigungsklausel durchsetzen können, lautet der jüngste Argwohn. „Wir haben in der Vergangenheit keine ehrlichen Auskünfte über die chinesisch-iranische Zusammenarbeit von der Regierung bekommen“, resumierte zumindest Senator Alan Cranston am Mittwoch, nachdem Staatssekretär Solomon und Geheimdienstexperten die Senatoren hinter geschlossenen Türen mit gesicherten Geheimdiensterkenntnissen vertraut gemacht hatten. „Die Regierung schuldet jetzt dem Kongreß und dem amerikanischen Volk eine triftige Erklärung, weshalb das Außenministerium noch im Juni behauptete, diese Zusammenarbeit existiere nicht“, fordert der Senator. Staatssekretär Solomon versuchte diese Frage vorerst mit „neuen Informationen“ zu klären, von denen Eagleburger damals nichts gewußt haben könnte. „Vielleicht verkaufen die Chinesen keine einsatzbereiten Waffen,“ meinte er, „möglichweise liefern sie aber Technologie oder Know-how“, räumte Solomon ein. „Ein für uns nicht akzeptabler Vorgang.“ Er erwarte jetzt eine entsprechende Erklärung von den Chinesen.

Das ständige Komitee des chinesischen Parlaments hat just am Mittwoch überraschend dem Beitritt Chinas zum Atomwaffensperrvertrag nicht zugestimmt, obwohl dies noch am 22. Oktober angekündigt worden war. Ein entsprechender Regierungsvorschlag soll im Frühjahr erneut vom Komitee beraten werden. Das Komitee ist außerhalb der Tagungen für das Funktionieren der Volksversammlung verantwortlich und entscheidet, welche Gesetzesentwürfe den Abgeordneten vorgelegt werden. Ein Grund für die — vorläufige — Entscheidung, dem Sperrvertrag nicht beizutreten, wurde auch am Donnerstag in einem entsprechenden Beitrag der Tageszeitung 'China Daily‘ nicht genannt. Beobachter wiesen lediglich auf die Ungewöhnlichkeit des Vorganges hin. Normalerweise werde jedes Thema auf der Tagesordnung vom Komitee verabschiedet.

Der Sprecher des chinesischen Außeninisteriums, Wu Jianmin, erklärte am Donnerstag, China werde den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnen, solbald die rechtlichen Formalitäten geregelt seien. Und Wu beeilte sich, an dieser Stelle dem Bericht der 'Washington Post‘ entgegenzutreten, wonach China dem Iran beim Bau von Atomwaffen helfe. Die Story entbehre jeglicher Grundlage. Allerdings mußte Wu zugestehen, daß China mit dem Iran und anderen Ländern im Bereich der „friedlichen Nutzung“ der Atomenergie zusammenarbeite. China akzeptiere Kontrollen der IAEO.

Ebenfalls am Mittwoch traf der chinesische Präsident Yang Shangkun in der iranischen Hauptstadt Teheran zum ersten Besuch eines chinesischen Staatschefs seit Gründung der Islamischen Republik im Jahre 1979 ein. Yang besprach mit dem iranischen Präsidenten Rafsandschani die Sicherheitslage am Golf, den Afghanistan-Konflikt und die Lage im Nahen Osten. Während des iranisch-irakischen Golfkrieges war China ein Hauptlieferant für Waffen an den Iran. Das Handelsvolumen zwischen China und Iran betrug 1990 rund 320 Millionen US- Dollar und weist eine stark steigende Tendenz auf. Während des Besuchs des chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng im Juli in Teheran hatten die Führungen beider Länder in nahezu allen angesprochenen Fragen übereinstimmende Positionen festgestellt. pe