MIT EUROPAS FINANZPLÄTZEN AUF DU UND DU: Frankfurt bedrängt London
■ Die Stadt hofft auf großen Aufstieg zum Finanzzentrum
Frankfurt/Main (taz) — Steigt Deutschlands Bankenzentrum zum ersten Finanzplatz in Europa auf? Wenn es nach zwei jetzt vorgelegten Gutachten geht, besitzt Frankfurt gute Chancen, an Londons Spitzenstellung kräftig zu rütteln. Die Entwicklungsperspektiven der Mainmetropole seien günstiger als die der britischen oder französischen Hauptstadt, urteilt eine Expertengruppe der Dresdner Bank und die von der hessischen Landesregierung beauftragte Forschungsgesellschaft. Die Studie der Dresdner Bank prognostiziert den Aufschwung schon für Mitte der 90er Jahre. Den Grund sehen die Banker in dem durch die deutsche Vereinigung ausgelösten zusätzlichen Finanz- und Anlagenbedarf und der künftigen Schlüsselrolle Deutschlands als „dominierende Finanzdrehscheibe für den enormen Kapitalbedarf in Osteuropa“.
Um die Spitzenposition in Europa erobern zu können, muß Frankfurt allerdings erst das Rennen um die europäische Zentralbank gewinnen. Die Bankenmetropole besitzt zwar neben London die besten Karten; doch weitere Anstrengungen zur Stärkung der Position Frankfurts seien notwendig, so die Gutachter. Vor allem bei der Funktionsteilung im Rhein-Main- Gebiet gibt es noch viel zu tun: Wohn- und Büroraum muß geschaffen, die Anbindung der City an den regionalen Verkehr verbessert sowie internationale Einrichtungen geschaffen werden. Die Vision einer gigantischen „Rhein- Main-City“ geistert seit Jahren durch die Köpfe der IHK- und Magistratsspitzen. Frankfurt besitzt kaum noch Expansionsmöglichkeiten; nur mit Mühe gelang es, ein Arreal für die EG-Zentralbank zu reservieren. Die Kirchturmpolitik der großen Kommunen verhinderte bislang eine effektive Vernetzung der Region. Auch in London hat man offenbar registriert, daß Frankfurt zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz heranwächst. Eine Umfrage bei dort ansässigen ausländischen Großunternehmen und Geldinstituten ergab kürzlich, daß vor allem ein übermäßiger Bürokratismus und der im Vergleich zu Paris oder Frankfurt „geringere Lebensstandart“ negativ zu Buche schlagen. „Londons Position als internationale Finanzdrehscheibe ist in Gefahr“, resümmierte Londons IHK-Leiterin Jacqueline Ginanne.
Wer Europa nicht auf den Westen reduzieren wolle, so das Gutachten der Dresdner Bank, müsse einsehen, daß der zentrale Bank- und Finanzplatz nur Frankfurt heißen könne. Ohne kontinentale Konkurrenz habe die Stadt dann „alle Chancen, die Nr.1 in der Welt zu werden“. K.-P. Klingelschmitt
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