Im BND-Keller liegt noch manche Leiche

Bundeswehr leistet für Auslandsoperationen des BND logistische Hilfe/ Elektronik nach Pakistan verfrachtet/ Die wehrtechnische Zusammenarbeit mit Israel soll fortgesetzt werden  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) — Es klingt eigentlich ganz harmlos: „Die Bundeswehr hat mit einer Reihe deutscher und ausländischer Organisationen Vereinbarungen über die Unterstützung bei Lufttransporten von Personen und Material.“ Darunter gehören, so weisen es geheim gehaltene Papiere aus, die der taz vorliegen, „insbesondere der BND und die amerikanische DIA“. Den Freunden wurde den Unterlagen zufolge tatkräftig unter die Arme gegriffen: Allein zwischen 16. April und dem 9. Mai 1986 wurden im Referat „Fü S II 1“ der Bonner Hardthöhe vier „Ünterstützungsleistungen“ bewilligt. Drei für den BND und eine für den US-amerikanischen Geheimdienst DIA („Defence Intelligence Agency“). Als Leistungen weisen die Vermerke lapidar aus: Materialtransport für den Antargsteller BND mit Zielort Pakistan, oder auch Personaltransfer für die DIA von Washington nach Köln und zurück.

Tatsächlich verbirgt sich hinter den spärlichen Angaben die logistische Unterstützung für Auslandsoperationen des BND, die das selbstgefällige Bild der Pullacher Behörde als reine Nachrichtensammelstelle in Frage stellen. Der Transport nach Pakistan entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als der Flugtransport einer kompletten militärischen Aufklärungseinrichtung, die allein schon den ganzen Frachtraum einer Bundeswehr-Transall ausfüllte. Sinn macht der Transport der Anlage nur, wenn anschließend mit ihr auch Erkenntnisse gesammelt wurden; weniger über Pakistan — eher schon über Afghanistan und die UdSSR. Beantragt wurde die Luftfracht durch das „Amt für Militärkunde“ (AMK). Dahinter steht eine Einrichtung der Bundeswehr, die ausdrücklich auf Grundlage eines geheimen Vertrages zwischen BND und Bundeswehr (siehe taz von gestern) geschaffen wurde, um der Pullacher Behörde als Deckadresse zu dienen. Der Transport — der in der 18. Kalenderwoche 1986 durchgeführt werden sollte — wurde von der Hardthöhe „ausdrücklich“ genehmigt, weil er der Beschaffung von Informationen dienen sollte, „die primär an das Bundesverteidigungsminiterium weitergeleitet werden“.

In der 22. Kalenderwoche wurde ein ähnlicher Transport gleichen Ausmaßes bewilligt. Zielort war diesmal die Türkei. Wegen der „Sicherheitsempfindlichkeit des zu befördernden Materials“ schloß das AMK den Land- oder Seetransport von vornherein aus — den Antragstellern zufolge war darüber hinaus die „Begleitung durch einen BND- Bediensteten erforderlich“. Am 2. Mai 1986 wurde schließlich auch der „kostenlose Mitflug der BND-Mitarbeiterin Karin Müller“ (von Landsberg-Penzing nach Islamabad und zurück) genehmigt. Sie sollte offenbar die zuvor verfrachtete Aufklärungsanlage betreuen.

Wenn jetzt, wie von der Opposition gefordert, ein Untersuchungsausschuß der aufgeflogenen Waffenschieberei zwischen BND und Mossad auf die Spur kommen soll, könnte sich sein Auftrag auch auf Recherchen über frühere dubiose Waffengeschäfte des BND ausweiten. Einige Stichworte sind der Kauf eines „Cerberus“-Störsenders beim israelischen Geheimdienst Mossad, den die USA der Bundesregierung vorenthalten wollte; der heimliche Verkauf des Feuerleitradarsystems „Pamir“ an die Volksrepublik China; und die Verbindungen des BND zum Waffenhändler Gernot Mertins und dessen Firma Merex, der im November 1975 vom Oberlandesgericht in Köln vom Vorwurf des millionenschweren Waffenschmuggels mit der Begründung freigesprochen wurde, das verbotene Handeln sei vom BND angestiftet worden.

Nach der heftigen Debatte um den geplanten Waffendeal mit dem Mossad und dem Eingeständnis des BND-Präsidenten, eine Koordinierungsgruppe auf „mittlerer Ebene“ hätte „Fehler“ begangen, will die Bundesregierung nun klären, ob ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vorliegt. Regierungssprecher Vogel räumte gestern ein, es sei ein Fehler gewesen, die Waffensysteme (darunter eine Starteinrichtung für Flugabwehrrakten) falsch als landwirtschaftliches Gerät zu klassifizieren. Durch eine sofortige Weisung sei jetzt sichergestellt worden, daß künftig auch bei Lieferungen im Rahmen der „wehrtechnischen Zusammenarbeit“ an befreundete Länder „nur unter Beteiligung der politischen Leitung“ entschieden werde. Die wehrtechnische Zusammenarbeit mit Israel besteht nach Vogels Worten seit 20 Jahren. Bei der politischen Bewertung dürfe nicht übersehen werden, daß Israel mit seinen Lieferungen von erbeutetem sowjetischen Militär-Know-how zu Zeiten der Blockkonfrontation für die Sicherheit der Bundesrepublik „besonders wichtig gewesen ist“. Die Zusammenarbeit mit Israel und anderen befreundeten Ländern soll nun auf rechtlich einwandfreier Grundlage fortgesetzt werden.