„Schick mir einen Engel“

■ Die Scorpions auf Tour: Gitarrengewitter, laut und heftig, in der Stadthalle

Alles war so, wie es sein sollte: laut, voll, heavy. Welche deutsche Band, außer Peter Maffei, könnte die Stadthalle so zum Brodeln bringen! Die Scorpion, auf ihrer „Wind of change“ Europa- Tournee, füllten Bremens größten Veranstaltungsraum mühelos. Hardrock-Fans zwischen zwölf und 50 waren zu ihren Idolen gepilgert, um sich die Trommelfelle vollfetzen zu lassen und mal wieder so richtig einen abzuschütteln.

Kids mit Scorpions T-shirts, Scorpions-Mützen und — Neonschals rangelten um die besten Plätze und schüttelten extatisch ihre modisch kurz geschorenen Häupter. Mütter und Väter hatten die alte Lederjacke nochmal aus dem Schrank geholt. Beim rhythmischen Klatschen und Schreien waren alle Generationen vereint.

Das Licht geht aus, die Spots gehen an. Zwei riesige schwarze Lautsprechertürme, bestehend aus je dreißig Einzelteilen, sorgten dafür, daß die verqualmte Luft vibriert. Die fünf „Jungs“, bis auf den Bassisten Matthias Jabs alle jenseits der 40, springen in ihren knallengen Lederhosen auf der metallgrauen Gitterkonstruktion herum und geben ihr Bestes: markerschütternden Metal-Sound und melodiöse Herzenswärmer — genau die Mischung, die seit über 20 Jahren weltweit ankommt.

Die erste Skorpions-Besetzung tat sich 1965 in Hannover als Schülerband zusammmen. Geblieben ist davon noch Band-Boss und Gitarrist Rudolf Schenker. Ihr erstes Geld verdienten die Hannoveraner als Vorgruppe zu Formationen wie Easybeats, Dave Dee, den Lords und den Rattles — Namen, die den Nachwuchsfans der Skorpione gar nichts mehr sagen. Die Japaner waren 1975 die ersten, die die deutschen Heavy-Rocker frenetisch feierten. Erfolge in der einschlägigen Szene in England und den USA folgten. Seitdem galten die Propheten des Heavyrock auch im eigenen Land etwas. Sogar in der Blütezeit der Neuen Deutschen Welle, als andere Band über Zuhörerschwund klagten, wurden die Hallen bei den Skorpions voll.

Skandale wegen nackter Frauen auf den Plattencovers, Sex, Drogs und Alkohol hinter den Kulissen sorgten für zusätzliche Schlagzeilen. Inzwischen sind sie brav verheiratet und zeigen in der Bravo ihre Eltern vor Aber noch immer machen sie Musik, die „voll unter die Gürtellinie“ geht, wie Skorpions-Chef Rudolf Schenker meint. Wenn Sänger Klaus Meine nach einem Set aus harten Rhytmen mit einem wahren Gitarrengewitter an die Rampe tritt und bittet: „Send me an Angle“, flammen tausende von Feuerzeugen und Wunderkerzen auf. Körper wabern im Gleichtakt in der vernebelten Halle und die starken Männer vor der Bühne haben alle Hände voll zu tun, die aus dem Kessel zu ziehen, denen vor Begeisterung und Sauerstoffmangel die Sinne schwanden. asp