»Da wäre ja das Denken im Eimer!«

■ Jugendmagazin und Barbara John gemeinsam gegen die Ausländerfeindlichkeit unter Jugendlichen

Daß eigentlich alle irgendwie gegen die neue Ausländerfeindlichkeit sind, ist klar. Besonders in links-alternativen Zeitungsredaktionen und in öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten mit jugendlichem Zielpublikum wird heftig darüber diskutiert, in welcher Form und mit welchen Argumenten gegen den dumpfen Haß auf Gesamtdeutschlands Straßen am effektivsten vorgegangen werden kann.

Große Musikveranstaltungen wie unlängst in der Deutschlandhalle Ich bin ein Ausländer missionieren SFB- unterstützt die Jugendlichen mit guter Musik, die eben fast immer aus dem Ausland stammt.

Zeitungen stellen den »Ausländer des Tages« vor, in Schulen wird mit Hilfe von engagierten School-Workern ein weiteres Mal Faschismusgeschichte gelehrt, und irgendwie hoffen alle, damit die bösen Glatzköpfe dauerhaft isolieren zu können.

In dieses Horn tutet nun auch Barbara John, ihres Zeichens Ausländerbeauftragte der Stadt Berlin, und von Amts wegen mit den gewaltigen Problemen junger Berliner Ausländer und Ausländerinnen bestens vertraut.

Sie suchte Anfang des Jahres für ein aufklärerisches Video wider die Ausländerfeindlichkeit, das sich in erster Linie an die gesamtdeutsche Jugend richten sollte, kompetente Unterstützung — möglichst mit großer terrestischer Reichweite. Und einen Abnehmer für die 100.000 DM, die für dieses Projekt zur Verfügung standen. Wie stets in arger Geldnot, bot sich die SFB-Redaktion »Moskito« — »nichts sticht besser!« — für eine Zusammenarbeit an, zumal auch hier schon länger der Wille zur ausländerfreundlichen Tat bestand.

Das Ergebnis dieser Belle Alliance ist eine 45minütige Sendung mit dem Titel Gewalt gegen Ausländer, die am kommenden Sonntag um 14.15 Uhr im Ersten zu sehen sein wird. Die moskitogewohnte Mischung aus Spaß und ernsthaften Gesprächen, aus Sketchen, Cartoons, Music-Clips und Reportagen wurde beibehalten und bewährte sich auch diesmal.

Die dumpfen Kopfschmerzen in den Hirnen der Ausländerfeinde verursacht ein kleiner Paßbeamter in ihren Köpfen, lehrt ein Cartoon. Eine junge Ostlerin sketscht, das mit Abstand Beste an der Vereinigung sei nicht Cola oder Kaugummi, sondern ein dicker Negerkuß. »Boah, sind die dick, Mann!« schwärmt sie gerade ganz marketinggerecht in die Kamera, da kommt ein junger Schwarzer daher und schmatzt ihr herzig einen Bussi auf die Wange.

Solche und andere Scherze, die zielgruppengerecht das jugendliche 'Bravo‘-Witz-Niveau treffen, wechseln sich ab mit hausgemachten Videoclips voll Rapmusik und kritischen Texten. Hervorragend gemachte Porträts jugendlicher Ausländer haben es auf die juvenile Bereitschaft zum Mitgefühl abgesehen und machen bekannt mit dem unbekannten Nachbarn in der Eisdiele. Eine Studentin aus Eritrea erzählt von ihrer Flucht quer über den Kontinent, ein Mosambikaner wurde von der DDR-Regierung betrogen, die ihn mit dem Versprechen einer Ausbildung ins Land lockte und dann in einer Fleischfabrik schuften ließ. Einer ist ein junger vietnamesischer Arbeiter, der nach einigen Jahren in Deutschland immer noch isoliert ist und dessen kleiner privater Lebenstraum darin besteht, seine deutsche Freundin Diana zu ehelichen.

Das Konzept der Sendung setzt auf Läuterung durch Verständnis, will den unbekannten Ausländer zu einer vertrauten Person werden lassen. Es läßt aber auch der anderen Seite Raum zur Selbstdarstellung. In der Adalbertstraße werfen sich Türken und Ostler gegenseitig vor, sich die Arbeitsplätze zu klauen, Vorurteile werden freimütig vor der Kamera ausgetauscht und neutralisieren sich erst im Gegenschnitt wechselseitig.

In einem Gespräch zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen stellt ein junger Rechter ungeniert seine »Ausländer-raus«-Ideologie vor. Konterkariert von einem klugen Chilenen entlavrt er seine Hetzparolen als eine reine Frage sozialer Orientierungslosigkeit. Mit Ausländern will der 16jährige aus Marzahn prinzipiell nichts zu tun haben, denn — so seine Argumentation — wenn er erst einmal einen Ausländer nett fände, wäre schließlich »sein ganzes Denken im Eimer«.

So isses. Jedenfalls in Moskito. Die allesamt etwas älteren Preview- Zuschauer auf der Pressekonferenz ließen sich beeindrucken von dem russischen Sowjetaussiedler, der ausgerechnet nach Berlin kam, um hier in größerer Sicherheit seinen jüdischen Glauben pflegen zu können. Lachten über die Nachtklub-Fee, die Deutschland parolenkonform ausländerfrei zaubert und so Prince, Michael Jackson und Tina Turner gegen teutonischen Sound la Dieter Bohlen eintauscht. Ob's auch die Kids im Block komisch finden, bleibt abzuwarten.

Eine Videokopie dieser Moskito- Sendung kann jedenfalls demnächst gegen ein Ausleihpfand von 25DM über die Landesbildstelle oder bei der Ausländerbeauftragten an Schulen, Jugendgruppen oder Verbände ausgeliehen werden. Selbst wenn das Band auf diese Weise seinen Siegeszug durch die Freizeitheime antreten sollte, wird die Sendung — wie alle anderen gutgemeinten Kampagnen auch — dort wohl wieder nur diejenigen erreichen, die sowieso gegen Ausländerfeindlichkeit zu Felde ziehen. Die wahren Ausländerfeinde schauen sich doch nicht Moskito an, oder? Da wäre schließlich das ganze Denken schon wieder im Eimer! Margarete Gogolin

"Gewalt gegen Ausländer", Sonntag 14.15 Uhr, ARD