Die Rache der Gringos an Manuel Noriega

Diktator, CIA-Agent, Kartellbruder und Drogendealer: Vor dem US-Bundesgericht in Miami neigt sich Noriegas schillernde Karriere einem Ende hinter Gittern zu/ Alles „Politische“ wird sorgsam aus dem Prozeß herausgehalten  ■ Aus Miami Rolf Paasch

Das Gesicht des Pockennarbigen ist glatter geworden. In seiner 20monatigen Haft in Florida scheint sich „Pineappleface“ beinahe eine Pfirsichhaut zugelegt zu haben. Überhaupt ist dem Vorläufer Saddam Husseins das Dämonische hier im East Courtroom des US-Bundesgerichts von Miami nach 7 Sitzungswochen gänzlich abhanden gekommen. Fast regungslos sitzt der Häftling Nr.41586 auf der Anklagebank und lauscht den belastenden Aussagen eines ehemaligen Drogendealers. Gelegentlich, wenn er ein paar Worte auf seinem Notizblock notiert, strafft sich sein makellos gebügeltes Hemd mit den Epauletten der „Panamanian Defense Forces“. „Das Problem mit Manuel Noriega ist“, so der Gerichtszeichner, „daß er immer nur nach vorne schaut“. Es gibt da noch ein paar andere Probleme.

Zum Beispiel diesen Prozeß. Um ihn über die Bühne des holzgetäfelten Gerichtssaals in der North Miami Avenue zu bringen, hat die US-Regierung bisher keine Mühen gescheut, waren ihr nahezu alle Mittel recht. Zuerst wurde der durch die Invasion der amerikanischen Truppen in Panama gestürzte Diktator im Dezember 1989 aus seiner Fluchtburg der dortigen päpstlichen Nuntiatur in die USA überführt.

Nach seiner Einbuchtung im „Metropolitan Correctional Center“ im Süden von Miami schwärmten Agenten der US-Drogenbehörde DEA zur Fakten- und Zeugensuche in aller Herren Länder aus. Ein gutes Dutzend Top-Anwälte stellte aus diesem Material dann für die Bush- Administration eine beeindruckende Liste von 80 Zeugen und die 10 Punkte der Anklageschrift zusammen. Darin wird Manuel Noriega beschuldigt, zwischen 1981 und 1986 4,6 Millionen Dollar Schmiergelder angenommen und Panama zum Umschlagplatz für die kolumbianischen Drogenkartelle gemacht zu haben, mit Landepisten für Kokainflüge und Geldwaschanlagen in den dort ansässigen Banken.

Noriegas Chefanwalt Frank Rubino mußte dagegen erst einmal um sein Honorar fürchten, da die überseeischen Bankkonten seines Mandanten gesperrt worden waren. Auch bei seinen Telefonaten mit Noriega im Gefängnis konnte Rubino nicht mit normalen juristischen Bedingungen rechnen: sie wurden, wie sich später herausstellte, abgehört.

Noriegas schillernder Starverteidiger kämpft in diesem Prozeß also nicht nur gegen ein viel größeres Anklageteam, sondern auch gegen die geballte Staatsräson. Denn eigentlich müßten nicht nur der panamaische Durchschnittsdiktator, sondern auch die republikanischen Administrationen der 80er Jahre auf der Anklagebank Platz nehmen. Hatten sie doch die kriminellen Energien des guten Manuel bis 1987 großzügig toleriert oder gar tatkräftig unterstützt. Die CIA zahlte nach offiziellen Angaben 320.000 Dollar für Informationen aus dem damals so unruhigen Hinterhof der USA. Ob nach Kuba, Honduras oder El Salvador, „El Commandante“ hatte überall hin ausgezeichnete Connections. Die Verteidigung behauptet sogar, Noriega habe im Auftrag Washingtons die Bezahlung der amerikanischen Waffensendungen an die Contras mit den Einkünften aus den über Panama abgewickelten Koksgeschäften organisiert. Eine politische Bombe, wenn sich dies beweisen ließe.

Doch von dieser politischen Brisanz ist im Gerichtssaal nichts zu spüren. Nachdem Noriega und sein Anwalt schon im Vorfeld des Prozesses den Streit um die Freigabe von Geheimdokumenten verloren hatten, wacht hier der hagere Richter Hoeveler darüber, daß alles „Politische“ — wie die beiden Treffen zwischen George Bush und Noriega 1976 und 1983 — aus dem Verfahren herausgehalten wird. Auch dieser Prozeß, so scheint es, unterstreicht wieder einmal die legendäre Fähigkeit der Herren Reagan und Bush, ihre Skelette im Schrank eingesperrt zu halten. Was zählt und zugelassen wird, sind die Aussagen ehemaliger Drogendealer über die Verwicklung von Noriega in das einträgliche Geschäft. Und daran gibt es keinen Mangel.

„Welcome, Muchachos, ihr braucht hier in Panama keine Angst zu haben“, so beschreibt Ex-Dealer Jose Cabreras den überaus freundlichen Empfang, den Noriega ihm und anderen Bossen des Medellin-Kartells 1984 bereitete. Der distinguierte grauhaarige Herr im Zeugenstand, in Florida wegen Kokainschmuggels im Wert von 2 Mrd. Dollar zu 90 Jahren Haft verurteilt, will sich mit seinen Aussagen vielleicht doch noch einen Lebensabend in Freiheit verdienen. „Sie hoffen doch nur, daß sie noch vor Ende dieses Prozesses aus dem Knast kommen“, fragt Rubino sarkastisch den Zeugen im Kreuzverhör. Verschämt verweigert Jose Cabreras die Antwort.

Für seine und die Verpflichtung von fünf weiteren Kokspiloten und Dope-Dealern hat die Anklage im Rahmen des staatlichen Zeugenschutzprogramms 1,5 Mio. Dollar an „Gebühren“ hingeblättert. „Die kaufen sich einfach den Gerichtssaal“, so Jeffrey Weiner, Präsident der „National Association for Criminal Defense Lawyers“ zu der finanziellen Largesse des Justizministeriums.

Gegen die meisten dieser Zeugen, so Guy Gugliotta, Autor des Buches Kings of Cocaine, sei Noriega nur eine kleine Nummer, die sich im Milliardenhandel mit dem weißen Stoff nur hier und da ein paar Millionen abgezweigt habe. Die gegenwärtige Situation in Panama scheint diese Einschätzung zu bestätigen. Seit der Entfernung Noriegas hat der Drogenhandel über Panama eher zu- als abgenommen.

Mit etwas hilflosen Minen verfolgen die vorwiegend schwarzen Jury- Mitglieder den Versuch der Verteidigung, die gegen Noriega aufgebotenen Zeugen einen nach dem anderen zu diskreditieren. Sie werden am Ende dieses mindestens sechs Monate dauernden Prozesses nicht nur entscheiden müssen, ob die Bestechungspraktiken in Panama bis zu Noriega hinaufreichten. Selbst wenn dies bewiesen wäre, werden sie auch noch darüber urteilen müssen, ob Noriega sich zur persönlichen Bereicherung oder vielmehr im Auftrag der amerikanischen Geheimdienste in die Drogengeschäfte verwickeln ließ.

Daß der Mann, der in Kartellkreisen „El tigre“ genannt wurde, es durchaus verdient hätte, auf Jahre hinter Gitter geschickt zu werden, daran zweifelt in und außerhalb des Gerichtssaals wohl niemand. Professor Boyd, der als Augenarzt in Panama City 25 Patienten behandelt hat, die von Noriegas Schergen geblendet wurden, ist eigens nach Miami gekommen, um sich an Ort und Stelle vom Funktionieren der amerikanischen Gerechtigkeit zu überzeugen. Lieber hätte er gesehen, wenn Noriega wegen Mord und Menschenrechtsverletzungen in Panama zur Rechenschaft gezogen worden wäre. Aber dies, da stimmt ihm die Korrespondentin der panamaischen Tageszeitung 'La Prensa‘ zu, wäre angesichts des bedauernswerten Zustandes des dortigen Justizsystems zu riskant gewesen.

So werden also die Gringos in dem im spanischen Kolonialstil erbauten Gerichtsgebäude von Miami die Aburteilung des verhaßten Manuel Noriega übernehmen. Mit juristisch mehr als fragwürdigen Praktiken, aber wahrscheinlich mit dem allseits gewünschten Resultat.