Sondervollmachten für Jelzin

■ „Hindernisse für Wirtschaftsreform in Rußland aus dem Weg räumen“/ Ein Jahr keine Wahlen

Moskau (ap/dpa) — Der Volksdeputiertenkongreß Rußlands hat den russischen Präsidenten Boris Jelzin am Freitag mit den von ihm geforderten außerordentlichen Machtbefugnissen ausgestattet. Die Delegierten nahmen in erster Lesung mit 858 gegen 15 Stimmen bei elf Enthaltungen einen Gesetzesvorschlag Jelzins an, der ihn in die Lage versetzen soll, Hindernisse für den Übergang Rußlands zur Marktwirtschaft aus dem Wege zu räumen, die Verwaltung zu straffen und eine politische Stabilisierung herbeizuführen. Gleichzeitig wurden alle Zahlungen Rußlands an Ministerien der Union eingefroren.

Jelzin hatte gefordert, daß der Präsident und der Oberste Sowjet Rußlands Gesetze der Union, die Wirtschaftsreformen im Wege stehen, in der Russischen Föderation außer Kraft setzen können. Nach Jelzins Plan sollen zum Jahresende alle Preise freigegeben, der staatlichen Industrie fast alle Zuschüsse gestrichen und die Unternehmen schrittweise privatisiert werden. Das dadurch freiwerdende Geld soll für Sozialprogramme verwendet werden.

Außerdem verlangte Jelzin, daß bis zum 1. Dezember 1992 alle Wahlen und Volksentscheide ausgesetzt werden und daß er die Organe der Exekutive umstrukturieren sowie örtliche Organe ernennen kann. Mit dem Wahlstopp hofft Jelzin offenbar, der wachsenden Tendenz der zahlreichen autonomen Republiken und Gebiete des Landes, sich von der Föderation zu lösen, einen Riegel vorzuschieben und sich eine Atempause für die Durchsetzung seiner Wirtschaftsreform zu verschaffen.

In einer weiteren Entschließung werden Jelzin und die russische Regierung aufgefordert, alle Gesetze in Kraft zu setzen, die für die Ausführung der Wirtschaftsreform ab 1. Januar 1992 benötigt werden.

Rund 80 Ministerien der bisherigen Sowjetunion sollen nach Angaben sowjetischer Agenturen vom 15. November an ihre Tätigkeit juristisch einstellen. Ausgenommen von dieser Entscheidung seien das Außen- und Innenministerium, das Verteidigungsministerium, das Eisenbahnministerium, das Ministerium für Energiewirtschaft sowie die Zollverwaltungen. Für den Bereich Atomenergie werde eine eigenständige Behörde eingerichtet. Für eine Übergangszeit sollen gemeinsame Verwaltungsorgane der acht Republiken in den Bereichen Seeschiffahrt, Fernmeldewesen und Zivilluftfahrt bestehenbleiben. Außerdem solle ein gemeinsames Währungskomitee sowie ein Rentenfonds bestehenbleiben.