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„Madrid könnte ein Scheideweg für uns sein“

■ Die amerikanischen Juden sind angesichts der Friedenskonferenz bereit, ihre Haltung zu Israel zu überdenken

In Israel sind die meisten amerikanischen Juden niemals gewesen. Die Mehrheit der amerikanischen Juden glaubt, die israelische Regierung werde schon richtig handeln, egal welche Partei gerade in Israel regiert. Mit der Friedenskonferenz von Madrid könnte sich an dieser Grundeinstellung der amerikanischen Juden grundsätzlich etwas ändern. „Diese Friedenskonferenz wird ein entscheidendes Moment für die amerikanischen Juden“, glaubt Albert Vorspan, Vizepräsident der Vereinigung der amerikanisch-hebräischen Gemeinden, der Dachorganisation der reformistischen Juden. „Es könnte ein echter Scheideweg dafür sein, wie die amerikanischen Juden zukünftig die israelische Politik verteidigen werden.“ Rabbi Jerome Epstein, der Vizepräsident der „Vereinigten Synagoge Amerikas“, hinter der sich die konservativen Jüdischen Gemeinden Amerikas versammeln, stellt überrascht fest, die Gespräche von Madrid hätten bei den amerikanischen Juden einen weit größeren Sinn von Toleranz bewirkt, als er es jemals für möglich gehalten hätte. „Leute die fest vertraten, Israel solle nicht einen Zoll Land hergeben, meinen plötzlich, es gäbe jetzt vielleicht doch noch eine Chance. Und sie diskutieren, was Israel geben könnte, ohne seine eigenen Interessen dabei zu vernachlässigen. Andere hingegen, die bisher alles zurückgeben wollten, sagen heute, eine „Alles-oder-nichts“-Position könne es nicht geben. Jawohl, angesichts dieser Konferenz bedenkt jeder seine Ideen auf ein Neues. Eine ebenfalls nicht unerhebliche Anzahl jüdischer Meinungsführer sieht die Aufmerksamkeit der amerikanischen Juden in bisher nicht gekanntem Ausmaß auf die Politik von Premierminister Schamir und seine Regierung konzentriert. Sollten sich die Araber weiterhin weigern, das Existenzrecht Israels und seine grundlegenden Sicherheitsinteressen anzuerkennen, und die USA trotzdem versuchen, Israel zu Konzessionen zu bewegen, könnte sich der Zorn der amerikanischen Juden wie niemals zuvor gegen Washington richten. Sollte aber die israelische Position so ankommen, daß alle arabischen Zugeständnisse und die Vorschläge der Amerikaner abgelehnt werden, dann könnte sich ein gewichtiger Teil der jüdischen Öffentlichkeit hier vor allem gegen die regierende Likud-Partei wenden. „Es könnte zu einem politischen Erdrutsch führen, wenn man hier feststellt, das Israel selbst, daß seine Hardliner zu einem Scheitern der Konferenz beigetragen haben“, schätzt Albert Vorspan.

Die jüngsten Umfragen, die für das Amerikanisch-Jüdische Komitee gemacht und Anfang Oktober veröffentlicht wurden, haben ebenfalls sehr gemischte Standpunkte gezeigt. Nur 35 Prozent der amerikanischen Juden haben sich dafür ausgesprochen, daß Israel den Palästinensern einen territorialen Kompromiß in den besetzten Gebieten, Westbank und Gaza anbieten soll. 51 Prozent befanden jedoch, Israel solle der Einrichtung eines palästinensischen Staates im Rahmen eines Friedensabkommens zustimmen, wenn die Sicherheit Israels gewährleistet wird.

Steven M. Cohen, der die Umfrage durchführte, meint, die Unterstützung für Schamir und seine Partei könne beim Scheitern der Konferenz sehr heftig umschlagen, denn schon jetzt wäre zahlreichen amerikanischen Juden bewußt geworden, daß viele Israelis und vor allem die Arbeiter-Partei eine Vereinbarung „Land gegen Frieden“ befürworten. „Wenn die oppositionelle Arbeiter-Partei ihre Message nur laut und deutlich genug artikuliert“, meint Cohen, der bereits seit 1981 entsprechende Umfragen macht, „könnte es tatsächlich zu einem massiven Meinungsumschwung führen.“

Rabbi Arthur Hertzberg, ein prominenter amerikanischer Wissenschaftler und Friedensaktivist, beklagte in der 'New York Review of Books‘, den meisten amerikanischen Juden sei die israelische Debatte um einen territorialen Kompromiß gar nicht geläufig. Schon deshalb habe die Regierung Schamir ihren Vorteil aus der unterstützenden Haltung der amerikanischen Juden schlagen können, vor allem in der Frage um die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten. „Plötzlich befinden sich amerikanische Juden zwischen den Fronten“, meint Hertzberg, „sie würden gern weiter mit dem Bewußtsein leben, daß Amerika und Israel immer Seite an Seite stehen. Angesichts der konfrontativen Beziehung von Bush und Schamir können sie sich aber einer Entscheidung nicht mehr entziehen, und das ist sehr schmerzhaft.“ (wps)

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