Seht die verborgenen Programme!

„Marler Tage der Medienkultur“ — eine Tagung des Adolf-Grimme-Instituts  ■ Von Jürgen Bischoff

„Im Schatten der Ratings — Publizistische Strategien für das verborgene Programm“: Unter diesem Titel standen die dritten Marler Tage der Medienkultur, zu denen das Adolf- Grimme-Institut Medienmacher und Fachjournalisten eingeladen hatte. Die Frage, wie in der Flut immer neuer Bilder und weiterer Fernsehkanäle noch die Aufmerksamkeit des Publikums auf besondere Fernsehsendungen gelenkt werden könne, stand im Mittelpunkt der Tagung.

Die Pressestellen der öffentlich- rechtlichen Anstalten beteuerten, daß es nicht in ihrer Macht stünde, die KollegInnen in der Programmpresse davon zu überzeugen, daß es wichtiger sei, ein Produkt eines wenig bekannten Dokumentarfilmers vorzustellen, als zum x-ten Male die Gästeliste von Thomas Gottschalk herabzuleiern.

Was man eigentlich unter einem „verborgenen Programm“ versteht, konnte im Laufe des zweitägigen Treffens nicht geklärt werden — zu schlecht waren die einzelnen Diskussionrunden vorbereitet worden. Peter-Christian Hall aus der Öffentlichkeitsarbeit-Abteilung des ZDF stellte leider viel zu spät fest, daß die Definition dieses Begriffes nicht sehr eindeutig sei.

Solange es aber um das öffentlich- rechtliche Fernsehen ging, schien man sich darüber im Klaren zu sein, daß es sich um „Qualitätsfernsehen“ handelt, das kaum noch eine Chance hat, vom Zuschauer wahrgenommen zu werden.

Nach welchen Kriterien wählt die Presse Ankündigungen für das Fernsehprogramm aus? Diese Frage stellte man RedakteurInnen der Zeitschrift 'Hör Zu‘, der 'Süddeutschen Zeitung‘ als Beispiel für ein tagesaktuelles Qualtätsblatt und der zweitgrößten deutschen Tageszeitung, der 'Westdeutschen Allgemeinen‘ als Musterexemplar für eine „Provinzpostille“. Spezielle Interessen einzelner MitarbeiterInnen sorgen unter anderem dafür, das noch das ein oder andere Highlight vorab besprochen werde, erklärte Cornelia Bolesch von der 'Süddeutschen Zeitung‘: „Je mehr sich das Programm ausweitet, um so mehr müssen wir uns beschränken.“ Gleichzeitig bekannte sie, daß ihre Redaktion in der letzten Zeit einer Flut von Videocassetten ausgesetzt sei, die von Filmautoren direkt an die Presse versandt werden, um auf diese Art und Weise mehr Interesse für ihr „verborgenes Programm“ zu erregen. „In den meisten Fällen ermutige ich die Autoren, auch weiterhin diesen Schritt zu tun“, sagte sie.

Immerhin hat die Zufälligkeit und möglicherweise auch gezielte Subjektivität in der hiesigen TV-Bearbeitung im Zusammenwirken mit dem deutschen Föderalismus auch Vorteile. Das wurde in einem Podiumsbeitrag von Claire Doutriaux aus der Presseabteilung des französischen Kulturkanals 'La Sept‘ deutlich. Sie wußte aus der Praxis mit der zentralisierten französischen Hauptstadtpresse zu berichten, daß es genüge, den Feuilletonisten von 'Le Monde‘, von 'Libération‘ und des (anspruchsvolleren) 'Hör zu‘-Gegenstücks 'télérama‘ ein Mittagessen mit dem Regisseur zu arrangieren, um im Konzert der sieben großen Sender auch einmal eine wichtige Vorab-Story zu lancieren. Ob dies eine „Strategie für verborgene Programme“ in Zukunft auch in Deutschland sein mag, blieb in Marl unbeantwortet.

Fazit: Reflexionen über den eigenen Stellenwert und die eigene Rolle scheinen notwendiger denn je.