Der Volksmund lügt!

Trotz verdammt harter Arbeit verloren die Degerloch Kickers beim VfB Cannstatt unverdient mit 1:3 Im 159. Lokalderby gewann der rote VfB gegen die blauen Kickers die Stuttgarter Stadtmeisterschaft  ■ Aus Cannstatt Peter Unfried

Ich habe einen Schalter im Kopf und wenn ich den umlege, denke ich nicht mehr an Fußball.

Der Kickers-Trainer im 'Kicker‘

„Dieses Spiel hätte auch 2:2 ausgehen können“, sagte das Nies. Und es ist wohl an der Zeit sich einzugestehen: Fußball ist harte Arbeit. Die Spieler arbeiten 90 Minuten im Schweiße ihres Angesichts, die Zuschauer arbeiten, die Trainer schuften nach der Begegnung weiter, bis auch das letzte Presseheinz begriffen hat, was er da gerade für ein Spiel gesehen hat.

Und die Heinze selbst arbeiten am allerhärtesten, bis aus der ganzen Arbeit dann ein lockig-flockiges Berichtchen wird.

Wollte ich den Lesern jetzt also eine Freude machen, müßte ich berichten, wie Kickers-Präsident Axel- Dünneald Metzler nach dem Spiel sauer war und seinen Mantel in die Ecke schmiß, ihn später aber wieder aufhob. Oder ich müßte erzählen, daß der schlaue ZDF-Mann „Töppie“ Töpperwien von Südmilch einen Korb bekam, weil er das Ergebnis schon vor dem Spiel wußte. Oder daß Gladbachs gefeuerter Trainer Gerd vom Bruch auch da war.

Weil ich den Lesern aber keine Freude machen möchte, berichte ich einfach über dieses Spiel. Das Spiel an sich. Das lief im großen und ganzen so ab, daß beide Teams arbeiteten. Hart arbeiteten. Die blauen Kickers arbeiteten noch etwas härter als der VfB. Doch dafür hatten die roten VfBler Sammer und Gaudinio, die besser Fußball spielten. Und Fritz Walter, der deshalb mitspielt, damit am Ende geschrieben und gesagt werden kann, daß der Kleinste mal wieder der Größte war. War er auch. Sammer spielte in die Gasse, der kleine Fritz traf und freute sich. Und die Journalisten erst.

Das war Mitte der zweiten Hälfte und für den VfB hätte alles entschieden sein können, aber er beging einen großen Fehler. Christoph Daum: „Wir haben gesehen, daß man mit spielerischen Mitteln nicht zum Erfolg kommt.“ Spielerische Mittel „allein“ sagte Daum, doch das „allein“ schenke ich mir, weil es nicht in das Konzept des Artikels paßt. Denn der dreht sich ausschließlich um „harte Arbeit“, und die hätte der entfernte Meisterkandidat abliefern müssen, um dem akuten Zweitligaaspiranten den Rest zu geben. Und „Chrissie D.“ weiter: „Das Spiel hat gezeigt, daß die Kickers über sich hinausgewachsen sind.“ Heißt übersetzt: Sie arbeiten einfach und immer weiter, bis Alois Schwartz über Manfred Kastls Oberschenkel fiel.

„Der Mann heißt doch Richter“, sagte ein matter Kickers-Trainer Rainer Zobel hernach, „ich kann nicht verstehen, warum man hier mit zweierlei Maß mißt.“ Doch der Schriri hieß Assenmacher und beim „Mauri Gaudino hat er auch nicht gepfiffen“ (Daum).

Zobel frustete, daß er und sein Degerlocher Team so hart schuften können, wie sie wollen, solange nicht etwas dazu kommt, sind sie macht- und punktlos. Ein glücklicher Pfiff etwa. Der kam nicht, Andi Buck raste in zehn Sekunden von Immel zu Reitmaier und um den herum, und das war's dann. „Und jetzt mach ich meinen Schalter um und geh ein Bier trinken“, sagte Rainer Zobel Samstag abend um halb sieben. Doch die halbe Nacht mußte er dran denken: Der Volksmund lügt! Harte Arbeit hatte sich nicht ausgezahlt. Das Spiel hätte auch 2:2 enden können.

VfB Stuttgart: Immel - Dubajic - Uwe Schneider, Schäfer - Buck, Buchwald, Sammer, Strehmel, Frontzeck (46. Sverrisson) - Walter, Gaudino (83. Kastl).

Stuttgarter Kickers: Reitmaier - Wolf (76. Fischer) - Novodomsky, Ritter - Schwartz, Cayasso, Tattermusch, Richter, Imhof (65. Kula) - Moutas, Marin.

Zuschauer: 40.200, Tore: 1:0 Sammer (10.), 1:1 Novodomsky (40.), 2:1 Walter (62.), 3:1 Buck (90.).