Serbien muß mit Sanktionen rechnen

■ Gestern berieten die EG-Außenminister über Sanktionen gegen Serbien, das sich heute entscheiden muß, ob es den Plan der EG akzeptieren will/ Tausende von Serben flüchten aus Westslawonien

Brüssel/Belgrad/Zagreb (taz/afp/ dpa/ap) — Mit welchen Sanktionen soll Serbien bestraft werden, falls es auf der heutigen Friedenskonferenz in Den Haag weiterhin den EG-Plan ablehnt, der eine Umwandlung Jugoslawiens in eine Freihandelszone souveräner Staaten vorsieht? Über diese Frage berieten gestern in Brüssel die Außenminister der EG. Bei Redaktionsschluß lag noch kein Ergebnis vor.

Als mögliche wirtschaftliche Druckmaßnahmen sind die Aufkündigung des 1980 mit der EG abgeschlossenen Handels- und Kooperationsabkommens, die Aufhebung der bislang gewährten Zollpräferenzen, ein Einfrieren jugoslawischer Guthaben im Ausland sowie die Sperrung von Krediten und Zuschüssen im Gespräch. Allein im Rahmen des sogenannten Phare-Programms der 24 westlichen Geberländer für die osteuropäischen Staaten stehen Jugoslawien für 1990 und 1991 noch rund 200 Millionen Mark zu, die zur Zeit auf Eis liegen. Erwogen wird auch ein Erdölboykott. Rund ein Drittel des jugoslawischen Energieverbrauches wird mit Erdöl bestritten. Die eigene Ölförderung kann nur 20 Prozent des Bedarfs decken. Doch ein Embargo könnte hier nur deutliche Wirkung zeigen, wenn die Sowjetunion, der Hauptlieferant Jugoslawiens, mitmacht.

Die EG hat Serbien ein Ultimatum gestellt, das heute ausläuft. Falls sich Serbien eine Friedenslösung, wie sie die Konferenz in Den Haag anstrebt, weiterhin widersetzt, könnten die Außenminister am Donnerstag oder Freitag am Rande des Nato-Gipfels die Sanktionen in Kraft setzen.

Der serbische Präsident Milosevic, der am vergangenen Donnerstag den EG-Plan als „grundsätzlich akzeptabel“ bezeichnet hatte, sagte am Montag nach einem Treffen mit dem griechischen Außenminister Antonis Samaras, er werde keine Ultimaten akzeptieren und sich der EG-Friedenskonferenz entgegenstellen, solange sie davon ausgehe, daß Jugoslawien als Staat nicht mehr existiere. Das serbische Parlament wollte noch am Montag offiziell zum EG-Friedensplan Stellung beziehen, der heute in Den Haag erneut zur Diskussion steht. An der Debatte werden auf Betreiben des italienischen Außenministers De Michelis Vertreter der kleinen italienischen Minderheit Kroatiens teilnehmen, nicht aber Vertreter der zweieinhalb Millionen Albaner im Kosovo, nachdem als Zugeständnis an die serbische Seite die EG auf die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Autonomie des Kosovo und der Wojwodina — beide Regionen gehören der Republik Serbien an — verzichtete.

Einen Tag vor der Haager Konferenz gingen die kriegerischen Auseinandersetzungen in Kroatien an allen Fronten weiter. Die jugoslawische Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ meldet, daß nun die Bundesarmee zur Schlußoffensive gegen das seit zweieinhalb Monaten umzingelte Vukovar angesetzt habe, die nun bis zur Kapitulation der Verteidiger fortgesetzt werde. In der kroatischen Grenzstadt an der Donau tobten nunmehr 200 Meter vom Zentrum entfernt Straßenkämpfe. Zuvor hatte der für die Verteidigung der Stadt verantwortliche Kommandeur Milan Didakovic die Regierung in Zagreb beschuldigt, ihn und die 12.000 in Kellern versteckten Bewohner im Stich zu lassen. „Wir brauchen Panzerabwehrwaffen, Luftabwehrgeschütze und Verstärkung“, sagte Didakovic. Vukovar sei nur noch wenige Stunden zu halten. Die Stadt, die in den vergangenen Wochen zum Symbol für den kroatischen Widerstandswillen geworden ist, stehe unmittelbar vor dem Fall.

Bei einer Gegenoffensive in (zu Kroatien gehörenden) Westslawonien haben kroatische Einheiten — Angaben der Armee zufolge — 18 Dörfer zerstört. Die Kroaten hätten den Bewohnern 48 Stunden Zeit gegeben, das Gebiet zu verlassen. Die Armee sei in der Region den kroatischen Streitkräften unterlegen, warnte der Kommandant des jugoslawischen Armeekorps von Banja Luka, das jenseits der kroatischen Grenze auf bosnischem Gebiet liegt. Der General forderte die allgemeine Mobilmachung der Armee. Aus den umkämpften Gebieten Westslawoniens sollen am Wochenende Tausende von Serben vor allem in die Republik Bosnien-Herzegowina geflohen sein. thos