Mit Konfuzius zum Wirtschaftserfolg

Chinas Manager wollen die kränkelnde Staatswirtschaft mit alten Weisheiten kurieren  ■ Von Catherine Sampson

Die Arbeiter der Boshan-Zementfabrik in der Provinz Shandong haben guten Grund, sich auf ihren Geburtstag zu freuen. Der Betriebsleiter Fu Quinfus schenkt ihnen an diesem Tag einen Kuchen. Das bescheidene Präsent zeigt Wirkung: Fu Quinfus Führungsstil, sagt ein chinesischer Akademiker, „gibt den Arbeitern das Gefühl, sie seien keine kleinen Kartoffeln“. Manager Fu, ein wiedergeborener Konfuzianer, sieht in dem Kuchen ein Erfolgsrezept. Doch Fu kennt auch andere Konzepte der Unternehmensführung: Er verteilt Prämien nach Arbeitsleistung und verhängt Geldstrafen an Arbeiter, die nicht mitspielen wollen.

Während der chinesischen Kulturrevolution landeten die Klassiker im Feuer, Konfuzius-Denkmäler wurden zerstört, die alten Traditionen waren tabu. Als China in den achtziger Jahren den Sprung in die Moderne antrat, blickten Manager und Wissenschaftler nach Westen. Die chinesische Führung jedoch, die dem westlichem Kapitalismus nicht blind folgen wollte, erkannte bald, daß es auch noch andere Wege gab. In Übereinstimmung mit der kommunistischen Maxime des „Vertrauens auf die eigene Kraft“ setzte sie auf einen eigenen Managementstil, der in vielerlei Hinsicht mit westlichen Strategien übereinstimmt.

Wissenschaftler durchkämmten die 2.000 Jahre alten Klassiker nach Hinweisen, wie man vorwärtskommen und vorne bleiben könne. Huo Xinyi und Yu Zagyi, zwei stellvertretende Generalsekretäre der Gesellschaft für die Untersuchung altchinesischer Geschäftstheorien, besannen sich auf Japans Wirtschaftserfolge. Der Siegeszug des Nachbarstaats nach dem Krieg, erklären die beiden etwas bitter, sei der japanischen Beschäftigung mit altchinesischen Weisheiten zu verdanken.

Der antike Weise Sunzi und sein Werk Die Kunst des Krieges gab am meisten her für Marktstrategien und Industriespionage. Seine wertvollen Ratschlägen wie „beginne den Angriff, wenn er am wenigsten erwartet wird“, „stark und schwach können in ihr Gegenteil verkehrt werden“, „kenne dich selbst und kenne deinen Feind“ wurden von den Managern geradezu aufgesogen. Der Traum der Roten Kammer, ein umfangreiche Roman von Liebe, Verrat und Tod, wurde liebevoll auf seine Eignung als Handbuch für Personal- und Finanzmanagement überprüft. Von den Sprüchen des Konfuzius schließlich stammen die Anleitungen, wie Mildtätigkeiten zielgerichtet eingesetzt werden können.Dabei ist Mildtätigkeit sicherlich kein Begriff, der den chinesischen Kommunisten naheliegt. Das offizielle englische Wörterbuch, das nicht nur als sprachliches, sondern auch als politisches Nachschlagewerk dient, gebietet eine andere Benutzung des Begriffs: „Wir treten den Reaktionären nicht mit einer Politik der Mildtätigkeit entgegen.“ Wenn den chinesischen Geschäftsleuten heute gesagt wird, sie sollten sich an den alten Weisen orientieren, läßt sich daraus jedoch nicht schließen, daß der Sozialismus in Schwierigkeiten steckt. Den Herren Huo und Yu zufolge empfahl schon der Vorsitzende Mao, das Alte zu nutzen, um die Gegenwart zu fördern. Und auch Marx, so die beiden Sekretäre weiter, habe es als falsch erachtet, sich der gesamten Vergangenheit zu entledigen. Die antike Weisheit diene nur als Ergänzung zum Sozialismus, nicht als Ersatz.

Betriebsleiter Yu hegt jedoch weit mehr Respekt für die alte chinesische Gesellschaft als die Wirtschaftstheoretiker. „Warum konnte sich der Feudalismus so lange halten?“ fragt er sich und legt gleich die Antwort nach: „Seine Verwaltungstheorie war weitentwickelt; es handelte sich um eine sehr stabile Gesellschaft.“ Mit Enthusiasmus berichtet Herr Yu, wie sich die alten Weisheiten in Chinas Staatswirtschaft niederschlagen. Es sei allerdings nicht immer einfach, schiebt er nach, wie sich diese in der Praxis vom gesundem Menschenverstand unterscheiden.

Beispiele für das neue Denken gibt es genügend. So ordnete etwa der Manager einer Traktorenfabrik in der Stadt Liaochen an, das Unternehmen sollte für besseren Service sorgen, da die dort hergestellten Traktoren wegen ihrer Reparaturanfälligkeit berüchtigt waren. Sich auf die Klassiker berufend, forderte er von seinen Mechanikern, sie sollten auch die Traktoren anderer, konkurrierender Firmen reparieren. Diese Geste, so glaubt der Manager, werde potentielle Käufer durch ihre selbstlose Großzügigkeit in Erstaunen versetzen; beim nächsten Kauf würden sie sich deshalb für einen seiner Traktoren entscheiden.

Unter den Managern geistert eine Erzählung von den Pferden des Königs und den Liangxiang Computern herum. Ein einfacher Bürger, berichtet die Geschichte, der drei Pferde besaß, ließ diese in einem Rennen gegen drei Pferde des Königs antreten. Zunächst ließen sie ihre besten Pferde gegeneinander laufen, dann die zweitbesten gegeneinander und zuletzt die schlechtesten. Jedesmal gewann der König. Ein kluger Mann riet dem Bürger, er solle sein langsamstes Pferd gegen das schnellste des Königs ins Rennen schicken und seine zwei besten gegen die zwei schlechtesten des Königs einsetzen. So könne er zwei Siege erringen. Und deshalb verkaufe der chinesische Computerhersteller Liangxiang seine Rechner mittlerer Größe auf dem internationalen Markt als Kleincomputer.

Aus dem Amerikanischen von Meino Büning.