“Zutritt für Drogenabhängige verboten!“

■ Einzelhändler in der Horner Straße wehrt sich auf seine Weise gegen Beschaffungskriminalität

Jürgen Beil (34) hat in Bremen zwei Lebensmittelgeschäfte. Ein größeres in der Vahr und ein kleineres im Steintorviertel. Auf der Eingangstüre zu seinem „Spar“- Laden in der Horner Straße — im alternativen Studienräte-Quartier — klebt mit Tesafilm ein gelbes Schild. Darauf steht von Hand geschrieben: „Wir sind mit unserer Liberalität am Ende und machen von unserem Hausrecht Gebrauch! Ab sofort! Der Zutritt zu diesem Laden ist für Drogenabhängige verboten! Der Inhaber.“

Dieses Schild hat Jürgen Beil Ende August selbst angeklebt. Gestern auf sein „Drogenschild“ angesprochen, sagte Jürgen Beil gegenüber der taz: „Ein Junkie, den ich im Laden beim Klauen gegriffen hatte, hat eine Spritze rausgezogen und gesagt: 'Ich stech Dich, Alter, wenn Du die Bullen holst!'“ Jürgen Beil bekam es mit der Angst: „Wenn Du angeritzt wirst, kannst Du Aids kriegen. Ich fühle, daß mein Leben bedroht ist. — Irgendwann sagt man, man hat die Nase voll.“ Jedes Geschäftsjahr erleide er in diesem Laden einen Verlust von 10.000 bis 15.000 Mark — nur durch Ladendiebstähle. Beil ist sich sicher, daß fast ausschließlich Drogenabhängige für den Schaden verantwortlich sind: „Die ich beim Klauen erwische, sind zu 99 Prozent Junkies.“ Zudem habe es allein im September fünf nächtliche Einbrüche gegeben. Die Versicherung habe ihm daraufhin Auflagen gemacht: Sicherheitsglas und Alarmanlage. Er fürchte, die nächste Auflage werde „Vergitterung“ heißen — ähnlich wie bei dem Pennymarkt an der Sielwallkreuzung, der in diesem Jahr ganz dicht gemacht hat. Beil: „Die Gemütlichkeit ist dahin. Ich bin am überlegen, ob ich den Laden schließe.“

Die Reaktion der Kundschaft auf das Schild beschreibt Beil so: „95 Prozent sind mit dem Schild einverstanden. Auch die Leute von 'Buten & Binnen–, die bei mir einkaufen, haben nichts gesagt. Fünf Prozent haben mich darauf angesprochen und ein Prozent sagt: 'Ich kann hier nicht mehr einkaufen, wenn Du solche Schilder aufhängst.'“

Beil hat in seinem Laden Kameras installiert, um die teuren Alkoholika zu überwachen. Doch ist er nur selten selbst im Laden, um Diebe zu ertappen.

Die Verkäuferinnen sind meistens allein mit der Kundschaft. Die beiden, die gestern vormittag an der Kasse und hinter der Wursttheke arbeiteten, sind einhellig der Meinung, das Schild habe „gar nichts“ bewirkt. Grete de Vries (55): „Ich hätte das Schild am liebsten verschwinden lassen. Denn es schadet Herrn Beil, das sehe ich an der Reaktion der Kunden.“ Claudia Schwack (24): „Ich finde das Schild auf eine Art schon gemein, weil da Leute abgesondert werden. Ich habe selbst Freunde, die abgesackt sind. Aber ich kann Herrn Beil auch verstehen.“

Warum das „Drogenschild“ nichts bewirkt hat und Drogenabhängige nach wie vor unbehelligt im Laden einkaufen, beschreibt die Verkäuferin Grete de Vries so: „Meistens sind wir hier allein. Wir haben beobachtet, daß hier in den Gängen von Kunden was weggenommen wurde. Nur werden wir uns hüten, das anzusprechen. Ich kann mich nicht auf solche Diskussionen einlassen. Es ist nicht mehr ungefährlich. Ich möchte nicht, daß sie mir gegenüber aggressiv werden und anfangen zu greinen.“ Sie kennt das Problem der Drogenabhängigkeit nur zu gut: „Ich habe fünf Kinder groß gezogen und war zwanzig Jahre mit einem Alkoholiker verheiratet.“

Jürgen Beil will das Schild hängen lassen: „Ich finde das Schild auch schlimm. Aber wo soll man ansetzen: Soll ich meinen Verkäuferinnen eine Gaspistole hinlegen?“ Für ihn gibt es nur einen Weg, das Problem der Beschaffungskriminalität zu lösen: „Man sollte Heroin legalisieren und auf Krankenschein in Apotheken abgeben — genauso wie Zuckerkranke Insulin kriegen.“ Barbara Debus