GEW fürchtet um 22.000 Kita-Plätze

■ Nach GEW-Informationen soll Kinderbetreuungsangebot auf Hamburger Niveau hinuntergeschraubt werden/ Krüger: »Fatale Phantasieleistung«/ Wirtschaft soll sich an Finanzierung beteiligen

Berlin. Nach Informationen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin ist der Sparkurs im Kita-Bereich noch längst nicht beendet. Möglicherweise sollen über die vom Berliner Senat beschlossene Streichung von 1.500 ErzieherInnenstellen hinaus weitere 11.600 Stellen abgebaut werden. Die Zahlen stammen aus der GEW vorliegenden Modellrechnungen der Berliner Innen- sowie Jugendverwaltung. In einem »Ausstattungsvergleich« der Berliner Kinderbetreuung mit dem Angebot Hamburgs komme die Rechnung zu folgenden Ergebnissen: Allein durch die Anpassung des Versorgungsgrades an Hamburger Verhältnisse würden im Ostteil 9.000, im Westteil 2.650 Stellen eingespart. Während im Ostteil Berlins über 90 Prozent aller Kinder betreut werden und im Westteil der Stadt 19 Prozent in der Krippe und über 50 Prozent im Kindergarten untergebracht sind, liegt der Versorgungsgrad in Hamburg bei lediglich 19 beziehungsweise 44 Prozent. Nach Angaben der GEW würden bei einer Verwirklichung der »Giftliste der Innenverwaltung« in Berlin 22.000 Kinderbetreuungsplätze wegfallen.

Berlins GEW-Vorsitzender Erhard Laube forderte die zuständigen Verwaltungen gestern auf, die internen Einsparvorschläge öffentlich zurückzunehmen. Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) reagierte prompt und sprach von einer »fatalen Phantasieleistung« der GEW. In seiner Verwaltung existierten keine Pläne für eine massive Kürzungswelle, betonte Krüger und verwies erneut auf den Senatsbeschluß, 1.500 Stellen einzusparen. Dieser Beschluß sei »zwar unbequem, aber angesichts der Finanzlage Berlins die einzige realistische Politik«, so Krüger.

Demgegenüber forderte die GEW gestern neue Wege bei der Finanzierung von Kinderbetreuung. So regte Vorstandsmitglied Norbert Hocke an, den Bund entweder über den Länderfinanzausgleich oder direkt an der Finanzierung zu beteiligen. Außerdem müsse erwogen werden, auch die Wirtschaft an den Kosten für kommunale Kinderbetreuung zu beteiligen. Erste Beispiele dafür gebe es bereits in München: Dort finanziere Siemens mit einem bestimmten Betrag auch die Kinderbetreuung mit und bekomme dafür eine bestimmte Anzahl von Kita-Plätzen für Mitarbeiter zugeteilt. In der Türkei müsse jede Firma mit mehr als 100 Beschäftigten sich finanziell an der Kinderbetreuung beteiligen. »Es gibt zahlreiche Modelle«, so Hocke. »Jedenfalls geht es nicht an, den Kita-Bereich abzuwickeln.«

Gleichzeitig sprach Hocke sich jedoch gegen die von Senator Krüger angeregten Betriebskitas aus. Die öffentliche Hand habe sich als wohnortnahe Betreuungsinstanz bewährt, so Hocke. Außerdem gehe es nicht an, bei jeder Betriebsschließung oder Kündigung auch den Kita-Platz loszuwerden. Jeannette Goddar