Zittauer Skin-Angriff ab heute vor Gericht

Richter: Anklage wegen Landfriedensbruchs ist vermutlich nicht haltbar/ Weitere Anklagen gegen die Täter von Hoyerswerda  ■ Aus Dresden Detlev Krell

Heute stehen in Sachsen erstmals rechtsradikale Gewalttäter vor Gericht. In der ostsächsischen Grenzstadt Zittau beginnt die Verhandlung gegen acht Jugendliche, die dringend verdächtig sind, in der Nacht zum 10. Mai ein Ferienheim mit Tschernobyl-Kindern überfallen zu haben. Die Skins sind des Landfriedensbruchs angeklagt. Es ist aber anzunehmen, daß diese Anklage nicht aufrechterhalten werden kann. Nach dem Pogrom von Hoyerswerda sieht sich der aus Ravensburg stammende Richter Lothar Scholz einem hohen Erwartungsdruck ausgesetzt. Er weist darauf hin, daß nicht der zunehmende Fremdenhaß, sondern nur die damalige Tat Gegenstand der Verhandlung sein könne. Der Tathergang lasse wohl nur eine Verhandlung wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu. Zudem können die Angeklagten auch wegen ihres jugendlichen Alters mit einer Strafmilderung rechnen. Für heute ist die Vernehmung der Beschuldigten vorgesehen, morgen kommen die Zeugen zu Wort.

40 strahlenkranke Kinder aus Tschernobyl waren im Frühjahr von einer Familieninitiative zu mehrwöchigen Ferien nach Zittau eingeladen worden. Sie hatten eben ihre Abschiedsnacht gefeiert, als vor dem Haus ein Transparent in Flammen aufging und angetrunkene Skins faschistoide Parolen brüllten. Während sowjetische Betreuer die Kinder in Sicherheit brachten, stellte sich ein befreundeter Stadtrat aus Ulm, der dieses Heim besucht hatte, den Skins entgegen. Die Neonazis zerschlugen Fensterscheiben und verletzten dabei einen der sowjetischen Betreuer am Kopf. Erst nach Hilferufen aus dem Heim konnten Soldaten der nahen Bundeswehrkaserne und Leute aus der Nachbarschaft den Angegriffenen helfen. Nach einer halben Stunde traf die Polizei ein, die lediglich Personalien aufnahm. Unmittelbar vor dem Überfall, so berichteten AnwohnerInnen, konnte die Skin- Gruppe vor dem Zittauer Rathaus neofaschistische Parolen rufen, ohne daß die Polizei sich zum Handeln veranlaßt sah.

Zittau war nach dem Angriff auf die Tschernobyl-Kinder noch mehrfach Schauplatz rechtsradikaler Gewalt gegen AusländerInnen. Gleich am nächsten Tag randalierte der gleiche Pulk, darunter der örtliche Rep- Chef, vor einem Flüchtlingsheim. Im August überfielen Skins zuerst ein Flüchtlingsheim, danach schlugen sie vor einer Diskothek RumänInnen zusammen.

Wann es zur Verhandlung der Fremdenhatz von Hoyerswerda kommt, ist unklar. Inzwischen ist neben ersten elf Beschuldigten gegen weitere acht Anklage erhoben worden. Drei Tatverdächtige befinden sich in Untersuchungshaft. In 14 Fällen wurden die Ermittlungsverfahren eingestellt.