Auf der Gasfackel gegen Möllemanns Kohlepläne

■ IG Bergbau sieht nach Gesprächen mit Möllemann „wichtige Schritte in die richtige Richtung“

Bochum/Hückelhoven (ap/dpa/taz) — Die Proteste von Bergleuten in nordrhein-westfälischen Revieren gehen nach der zweiten Bonner Kohlerunde weiter. Der Betriebsrat der Zeche Sophia-Jacoba im niederrheinischen Hückelhoven rief gestern die Kumpel auf, ihre vor zwei Wochen unterbrochene Unter-Tage-Demonstration wiederaufzunehmen.

Nach Beendigung der Frühschicht weigerten sich die Bergleute auszufahren. Nach Angaben des Betriebsrats soll die Aktion bis zum kommenden Montag dauern. Dann soll in Bonn die dritte Verhandlungsrunde über die Zukunft der deutschen Kohle stattfinden. „Wir haben immer noch Hoffnung. Wir haben keine Alternative“, sagte ein Sprecher des Betriebsrates. Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann hatte Zuschüsse zur Erschließung eines neuen Kohlefeldes für die Zeche abgelehnt.

Beschäftigte der Kokerei Anna in Alsdorf bei Aachen hielten am Dienstag die 80 Meter hohe Gasfackel des Unternehmens besetzt. Zuvor hatten die Bergleute die Gaszufuhr „fachmännisch“ unterbochen, hieß es. Die Kumpel wollen sich bei ihrem Protest in schwindelnder Höhe abwechseln, um „ein Zeichen aus Bonn“ zugunsten der Kohle zu erreichen.

Die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) berichtete, Möllemann habe jedoch in wichtigen Punkten nachgegeben. Möllemann hatte nach der Bonner Gesprächsrunde eine Reduzierung der subventionierten Kohleförderung von jetzt etwa 70 Millionen Tonnen auf 50 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2005 als realistische Größenordnung bezeichnet. Dies würde nach Angaben der Kohlewirtschaft den Abbau von etwa 40.000 Arbeitsplätzen im Bergbau bedeuten, 60.000 weitere Arbeitsplätze wären dadurch mittelbar betroffen.

Als „wichtige Schritte in die richtige Richtung“ bewertete der Gewerkschaftsvorsitzende Hans Berger die Ergebnisse der Kohlerunde. Auf Flugblättern, die in einer Auflage von 140.000 Exemplaren auf allen Schachtanlagen verteilt wurden, betonte der Vorsitzende der IG Bergbau, Möllemann habe in wichtigen Punkten nachgegeben. Für einen „tragfähigen und belastbaren Kompromiß“ reiche es jedoch noch nicht aus, erklärte Berger. „Wir brauchen verbindliche Zusagen der Bundesregierung, daß vor und nach 1995 keine Absatzeinbrüche erfolgen, die die Sozialverträglichkeit gefährden.“ Kein Bergmann dürfe ungeschützt auf den freien Arbeitsmarkt entlassen werden.

Der Minister habe zugesagt, die Anpassungsgeldregelung um fünf Jahre, bis 1999, zu verlängern und die Kürzung der Kokskohlebeihilfe von ursprünglich 1,1 Milliarden DM auf 550 Millionen DM zu halbieren. „Die Kumpel haben die Flugblätter nicht gleich verärgert in die Ecke geschmissen, sondern sie sehr aufmerksam gelesen“, berichtete ein IGBE-Funktionär aus Hamm. „Die Bergleute sind nicht euphorisch, die Stimmung ist abwartend“, hieß es bei der Essener Ruhrkohle AG.

Für die Zeche Sophia-Jacoba bedeutet die Bonner Entscheidung nach Darstellung der Gewerkschaft, daß noch in diesem Jahrzehnt die Förderung ausläuft. Berger, der noch in der Nacht zum Dienstag das Gespräch mit den Hückelhovener Bergleuten gesucht hatte, sieht nach eigenen Angaben keine Chance, die Haltung der Bundesregierung zu verändern. Die Gewerkschaft werde aber „um jeden Monat Förderung kämpfen“, damit jedem Bergmann von Sophia- Jacoba ein anderer Arbeitsplatz im Bergbau angeboten werden könne.