Starke Töne in Dortmund

Knapp 20.000 Hoeschianer in der Dortmunder Westfalenhalle Hoesch-Chef: Unsere AG „braucht keinen Retter, sie ist nicht in Not“  ■ Aus Dortmund W. Jakobs

„Ich gebe jetzt Dr. Neukirchen das Wort. Ich...“ Die folgenden Worte der Versammlungsleiter gehen in einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert unter. Der aufregerufene Redner, kalkweiß im Gesicht, versucht erst gar nicht dagegen anzusprechen. Mit dieser Reaktion der etwa 20.000 „Hoeschianer“, die sich am Dienstag morgen in der Dortmunder Westfalenhalle zur Belegschaftsversammlung getroffen haben, hat der Mann am Rednerpult offenbar nicht gerechnet. Wenige Minuten vorher hatte der Name Cromme den Lärmpegel in der Riesenhalle schon einmal in die Höhe getrieben. Das konnte niemanden überraschen, denn der Name des Krupp-Chefs steht in Dortmund seit der „feindlichen Übernahme“ von Hoesch durch Krupp für die Machenschaften des „Denver-Clans“. Sein Widerpart auf der Seite von Hoesch heißt Neukirchen, seit ein paar Monaten erst als Vorstandsvorsitzender in Dortmund im Amt. Ausgepfiffen wird er nun von der eigenen Belegschaft, weil in deren Augen der Chef nicht engagiert genug für die Unabhängigkeit „ihrer“ Firma kämpft. „Warum bezieht der Vorstand nicht stärker Position gegen die feindliche Übernahme?“ Diese Frage des Betriebsratsvorsitzenden der Hoesch Stahl AG Werner Naß treibt die Hoeschianer um. Der Verdacht steht im Raum, daß der eigene Vorstand und die Deutsche Bank mit Cromme gemeinsames Spiel gemacht haben könnten. Auf diesen Vorwurf reagiert der Coole erregt. Wer so etwas verbreite, „der liege völlig daneben“. Die Information über den Cromme-Coup „hat uns alle wie der Blitz getroffen“. Und dann macht der neue Vorstandsvorsitzende und Rohwedder-Nachfolger Schritt für Schritt Boden wieder gut. Am Ende verabschieden ihn die erregten Hoeschianer sogar mit Applaus. „Unsere Hoesch AG“, so der Neu- Hoeschianer, „braucht keinen Retter. Sie ist nicht in Not. Wir sind finanziell stark und werden in diesem Jahr ein deutlich positives Ergebnis erzielen.“ Gleichwohl seien Kooperationen und Allianzen notwendig. Der Aufsichtsrat habe den Hoesch- Vorstand beauftragt, mit Krupp in Kooperationsgespräche zu treten, „solange sie den Interessen von Hoesch nicht zuwiderlaufen“. Und dann fügte Neukirchen den entscheidenden Satz hinzu: Wenn es denn so sei, daß Krupp wesentliche Anteile an Hoesch erworben habe, „dann hat sich damit die Welt verändert“. Dann könne sich der Hoesch-Vorstand dem Willen nach Gesprächen „nicht entziehen“. Wieviel Hoesch- Anteile sich tatsächlich in Krupp- Händen befinden, darüber hüllt sich Cromme noch immer in Schweigen. Den Nachweis für die Mehrheit habe Cromme, so Neukirchen in der Westfalenhalle, „bis zur Stunde nicht erbringen können“. Eine Aufklärung sei ihm aber „noch für diese Woche zugesagt worden“. Man müsse aber „leider davon ausgehen, daß dieser Nachweis auch erbracht wird“.

Das mögen die Hoesch-Betriebsräte immer noch nicht glauben. Sie hoffen weiter, daß das Paket der West LB das Zünglein an der Waage sein möge. Was aber tun, wenn es auf diesen Kapitalanteil gar nicht mehr ankommt? Auch dann besteht nach den Worten von Jochen Walbersdorf „kein Grund zur Resignation“. Dann „werden die 52.000 Hoesch-Mitarbeiter über die B1 marschieren, und dann stellen wir uns den Herren auf der Villa Hügel mal persönlich vor“. Auch vor einer außerordentlichen Hauptversammlung ist Walbersdorf nicht bange. Eine solche Versammlung werde die Hoesch-Belegschaft „zu einem Fanal machen“. Wenn es nicht anders gehe, werde jeder eine Aktie kaufen, um dann über Dauerreden die Versammlung lahm zu legen. „Das kann dann“, so Walbersdorf unter dem Applaus seiner Kollegen, „Jahre dauern“.