Blauer Himmel über Kuwait?

■ Nach dem Öl fließt jetzt der Champagner: Heute soll Emir Dschabir Al Sabah die letzte brennende Ölquelle in Kuwait auspusten, dann wird gefeiert. Damit geht ein gigantisches Rettungsmanöver schneller als...

Blauer Himmel über Kuwait? Nach dem Öl fließt jetzt der Champagner: Heute soll Emir Dschabir Al Sabah die letzte brennende Ölquelle in Kuwait auspusten, dann wird gefeiert. Damit geht ein gigantisches Rettungsmanöver schneller als erwartet zu Ende, doch die verheerenden ökologischen Schäden in der Region sind noch lange nicht beseitigt.

Ab heute herrscht wieder Ruhe am Golf. 251 Tage nach dem offiziellen Ende des Schlagabtausches blasen die tollkühnen Firefighter in ihren stählernen Kisten die letzte tosende Feuersbrunst aus — viel früher, als von ihnen selbst, besorgten Umweltschützern und aufgeschreckten Klimatologen vorhergesagt. Es besteht Grund zur Freude: Saddam Hussein hat, so scheint es, auch seine Entscheidungsschlacht gegen die Natur verloren. Die Propagandisten des „Alles halb so schlimm“ werden sich bestätigt fühlen. Und sie werden nachtarocken.

Müssen sich also Mahner wie der BUND-Vorsitzende Hubert Weinzierl, der im Februar eine „Naturkatastrophe nie gekannten Ausmaßes für weite Teile der Erde“ herannahen sah, der Panikmache bezichtigen lassen? Verliert der anerkannte Atmosphärenchemiker Paul Crutzen seine wissenschaftliche Reputation, weil er damals die beschleunigte Auflösung der Ozonschicht nicht ausschließen wollte? Wohl kaum.

Die in den aufgeregten Kriegstagen diskutierten Horrorvisionen hatten ihre Vertreter sämtlich als „Worst-case-Szenarien“ gekennzeichnet. Der schlimmste Fall jedoch blieb nicht nur wegen der anfangs nicht für möglich gehaltenen Erfolge bei der Bekämpfung des Infernos aus. Eine ganze Reihe letztlich nicht vorhersehbarer Umstände sorgten für ihre zeitliche und räumliche Begrenzung.

So erreichten die inzwischen auf über 700 geschätzten Rußfahnen nur eine Höhe von einigen Kilometern. Dort wurden sie von einer in Wüstenregionen stabilen wärmeren Inversionsschicht wie unter einer festen Haube gehalten. Befürchtungen, wonach die zahllosen Feuer auf engstem Raum Feuerstürme entfachen und die weitere Aufheizung der Rußpartikel für zusätzlichen Auftrieb bis in die Stratosphäre sorgen könnte, bestätigten sich nicht. Damit war die großflächige Verteilung der Qualmschwaden über die nördliche Hemisphäre begrenzt, ebenso kam es nicht zu den befürchteten Reaktionen, die die schützende Ozonschicht in 20 Kilometer Höhe hätten anknabbern können. Für eine wesentliche Anheizung des globalen Treibhauseffekts reichte die Menge des verbrannten Öls — Schätzungen schwankten nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) zwischen 250.000 und 825.000 Tonnen pro Tag — nicht aus. Ebensowenig beeinflußten die Brände den indischen Sommermonsun über die natürlichen Schwankungen hinaus.

Wir sind noch einmal davongekommen. Nicht so die Menschen Kuwaits, die monatelang unbekannte Mengen giftiger Substanzen zu atmen bekamen und vielleicht noch — über die Nahrungskette — zu essen bekommen. Immerhin wurde dort nach Schätzungen des Umweltbundesamtes Tag für Tag soviel Schwefeldioxid in die Luft geblasen wie in der gesamten alten Bundesrepublik vor Einführung der Rauchgasentschwefelung. Aufs Jahr gerechnet rund drei Millionen Tonnen, emittiert von einer Fläche, die vierzehnmal kleiner ist als die alten Bundesländer. Noch bis Ende November registriert ein Meßwagen des Umweltbundesamts in Kuwait City Ruß, polycyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und andere giftige Substanzen. Das UBA befürchtet „chronische Erkrankungen“ und „erhöhte Todesraten bei Risikogruppen“. Gemeint sind Kinder, Kranke und alte Menschen. Außerdem müsse längerfristig mit „einem Anstieg des Krebsrisikos und Erbgutveränderungen gerechnet werden“.

Aber auch vor Ort gibt es das, was man „Glück im Unglück“ nennt. Erstens bewirkte der thermische Auftrieb der beißenden Schwaden bis in mittlere Höhen eine „relativ starke Verdünnung“, zweitens wurde der Qualm lange von (für den Menschen) günstigen Brisen raus aufs Meer getrieben, bevor in letzter Zeit wechselnde Winde die kuwaitische Hauptstadt häufiger unter Dampf setzten. Vor allem aber bewahrten die rasanten Löscherfolge der letzten Wochen die Region weitgehend vor dem gefürchteten „schwarzen Regen“, der anfangs vor allem im benachbarten Iran und auch im Himalaya niederging. Hätten die Quellen nicht rechtzeitig vor der im Herbst einsetzenden Regenzeit ausgepustet werden können, sagt UBA-Sprecher Hans-Jürgen Nantke, wäre der „giftige Ruß über den Feldern der Region abgeregnet“ — mit kaum absehbaren Folgen für die Ernährung der Bevölkerung.

Als in den letzten Wochen die ersten Meldungen über das bevorstehende Aus der letzten Feuer eintrafen, war ungläubiges Kopfschütteln hierzulande die häufigste Reaktion. Anfangs hatten die vier zugelassenen Feuerlöschteams aus den USA und Kanada an vier Tagen im Durchschnitt eine der Feuersäulen gekappt, am Ende schafften knapp 30 Teams neun pro Tag. Mit verstärkter „Manpower“ und der perfektionierten Infrastruktur für die Löscharbeiten allein läßt sich die Erfolgsexplosion allerdings nicht erklären. Lange ließen die Kuwaitis die von ihnen beauftragte US-Firma Bechtel gewähren, deren erstes Interesse es offenbar war, „ihre“ Firefighter von jeglicher Konkurrenz freizuhalten.

Erst als die Legende eines „Red Adair“ für alle Welt unübersehbar im kuwaitischen Öl versank, schickte die Herrscherfamilie den damaligen Ölminister in die Wüste und ließ einen neuen ran. Der beauftragte Mannschaften aus Ländern wie China, Argentinien und vor allem dem ehemaligen Ostblock. Und siehe da: Diejenigen, deren technologisches Know-how den High- Tech-Apologeten des Westens in der Regel nur ein mitleidiges Lächeln entlockt, steckten „Red Adair“ und seine Kollegen mit martialischer Technik in den Sack. Mit auf sowjetischen Panzerchassis montierten MiG-21-Triebwerken pustete beispielsweise ein ungarisches Team ein Licht nach dem anderen aus.

Über die Rolle der deutschen Industrie bei der Bekämpfung der Katastrophe soll der Mantel des Schweigens gehüllt werden. Sie spielte keine. Eine Mischung aus Schlafmützigkeit und Perfektionismus katapultierte das von der Frankfurter Lurgie Chemie angeführte Konsortium mitsamt seinem „umfangreichen Komplettangebot“ nach monatelangem Hin und Her aus dem Rennen. Immerhin können sich die Minister Töpfer und Riesenhuber — der sich stolz Schirmherr nennen ließ — rühmen, bereits ab März die tatkräftige Unterstützung der deutschen Industrie angekündigt zu haben... Gerd Rosenkranz