High-Wünschelruten-Tech

Eschborn (dpa/taz) — Technik allein bringt der Dritten Welt keinen Fortschritt: Zur Trinkwassergewinnung greifen Entwicklungshelfer deshalb zunehmend auf ungewöhnliche Methoden zurück. Wünschelrutengänger begeben sich immer häufiger dort auf Wassersuche, wo Hydrologen und Geophysiker nur trockene Resultate vorweisen können.

Es ist kein Okkult-Zirkel, sondern die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die in den wissenschaftlich immer noch heiß umstrittenen Rutengängern eine große Hilfe sieht. Der Erfolg gibt ihnen recht: Ihre Trefferquote liegt bei verblüffenden 90 Prozent.

Skeptiker wollen sich aber auch von solchen Erfolgsquoten nicht überzeugen lassen — sie sehen in den Rutengängern vor allem Scharlatane und Bauernfänger. Überzeugte Gläubige erwarten von den Wasser- Sensitiven Hilfe bei so unterschiedlichen Problemen wie der Suche nach Metallen und Erzen oder bei Schlafstörungen. Hinreichend erforscht ist das Phänomen noch nicht, doch der Münchener Physiker Hans-Dieter Betz wagt eine Hypothese: Ein „harter Kern“ könne den Erzählungen nicht abgesprochen werden. „Bestimmte Menschen reagieren empfindlich auf elektro-magnetische Störungen unter der Erdoberfläche“, so Betz.

Hans Schröter, Wasserbau-Ingenieur bei der GTZ, einem Tochterunternehmen des Bonner Entwicklungshilfeministeriums in Eschborn, ist ein solcher Mensch. Ende der 60er Jahre war er für die Planung und den Bau von Trinkwasseranlagen in Bolivien zuständig, traf nach zwei „Trockenbohrungen“ auf einen einheimischen Rutengänger. Mit dessen Hilfe und der seiner eigenen, neuentdeckten „Rutenfühligkeit“ wurde die dritte Bohrung ein voller Erfolg — über Projekte in Sri Lanka, den Philippinen, im Kongo und in Kenia avancierte Schröter zum erfolgreichsten Wassersucher der GTZ.

„Ich weiß, daß es funktioniert“, urteilt der 51jährige über seine Fähigkeiten, „die Frage weshalb und warum, stelle ich mir erst gar nicht.“ Unter seiner Regie bohrte die GTZ in Sri Lanka in einer Rekordzeit von zweieinhalb Jahren 691mal und wurde in 95 Prozent aller Bohrlöcher fündig. Die „beispiellose“ Erfolgsrate — konventionelle Bohrungen haben eine Trefferquote von etwa 30 Prozent — rief die Wissenschaftler auf den Plan. Nicht nur das Bundesforschungsministerium finanzierte umfangreiche Studien zur sogenannten Radiästhesie, auf Betreiben Schröters beschäftigten sich auch Wissenschaftler von der Sektion Physik der Münchener Maximillians-Universität mit den Projekten der GTZ.

Bei der „Konkurrenz“ — ausgewiesenen Experten der Hydrologie und Geophysik — stießen die Rutengänger zunächst nur auf wenig Gegenliebe. Arbeitslos werden die Wissenschaftler jedoch nicht, denn die zeit- und kostensparende Wünschelrute soll und kann nach Auskunft der GTZ „keineswegs flächendeckend“ eingesetzt werden. „Wir beschränken uns auf ganz bestimmte, besonders schwierige geologische Bedingungen“, versichert Klaus Erbel, Leiter der GTZ-Abteilung Wasser, Abfallwirtschaft und Ressourcenschutz.

Ideale Betätigungsfelder sind klüftiges, kristallines Gestein, verkarsteter Kalkstein und Buntsandstein, besonders interessant sind die „nahezu hoffnungslosen“ Fälle, in denen konventionelle Verfahren keinen Erfolg brachten. „Wir befanden uns in einem Dilemma“, beschreibt Erbel die Situation der Entwicklungshelfer. Zum einen habe die GTZ Vorwürfe riskiert, das Geld der Steuerzahler mit wissenschaftlich nicht anerkannten Verfahren zu vergeuden, zum anderen aber die Kritik, unkonventionellen — und billigen — Methoden gegenüber nicht aufgeschlossen zu sein.

Die GTZ entschied sich für eine „pragmatische“ Strategie: Konventionelle und unkonventionelle Methoden sollen sich künftig gegenseitig unterstützen. „Meine Arbeit soll dazu beitragen, die Kluft zwischen beiden Methoden zu verringern“, wünscht sich Hans Schröter, der zur Zeit in der Wüste Sinai nach Wasser bohrt und in einem Gebiet, wo internationale Unternehmen dreimal vergeblich in die Tiefe gingen, bereits sechs Brunnen fand. Auch unter den Einheimischen sollen die Wissenschaftler künftig nach geeignetem „Nachwuchs“ suchen. In Kenia sei er bereits gefunden, sagt Schröter — in Gestalt eines katholischen Erzbischofs, der bereits in der Vergangenheit in aller Stille seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt habe.