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Europa sagt „Auf Wiedersehen!“

■ Bayern München gewann sein UEFA-Cup-Rückspiel gegen BK 1903 Kopenhagen 1:0 und schied aus Den bayerischen Nobelkickern droht der Abschied von der europäischen Fußballbühne auf lange Zeit

München (dpa/taz) — Erinnern wir uns: Als glorreicher Erbe der holländischen Wunderelf von Ajax Amsterdam gewann der FC Bayern München zwischen 1974 und 76 Hattrick-mäßig den Europacup der Landesmeister. Auch in den achtziger Jahren kickten sich die Münchner Balltreter mehrfach in finale oder halbfinale Regionen des europäischen Nobelwettbewerbs. Noch vor 16 Monaten stand ein Bayern-Trainer namens Josef Heynckes auf dem Balkon am Münchner Marienplatz und versprach: „Wir holen den Europapokal!“

Seit gestern ist nun endgültig, daß die bayerischen Edelkicker in die Tiefen der internationalen Bedeutungslosigkeit abstürzen. Mit einem mühseligen, lächerlichen und kläglichen 1:0 gegen die Freizeitfußballer des dreifachen dänischen Titelträgers „Ballklubben“ 1903 Kopenhagen nahm der zwölfmalige bundesdeutsche Meister trostlos Abschied vom UEFA-Pokal. Unser aller Fußballkaiser Franz Beckenbauer, der den „ruhmreichen“ Verein vor 15 Jahren zum letzten Europacup-Triumph dirigiert hatte, registrierte mit versteinertem Gesicht das Ende einer Ära. „Vom Renommier-Klub ist nur noch der Name übrig geblieben“, meinte der künftige Vize-Präsident. Es droht der Abschied von Europas Bühne für lange Zeit — deshalb will Beckenbauer aufräumen: „Im kommenden Jahr wird die Mannschaft ein anderes Gesicht haben.“

Die Bayern spielten in ehrendem Gedenken an ihr 2:6 aus dem Hinspiel. Denn auch im Revanchematch hätten sie die zahlreichen Chancen zu einem Schützenfest nutzen können, aber die Münchner Spieler gedachten lieber der Schmach von Kopenhagen und verstolperten gelähmt und nervös eine Gelegenheit nach der anderen. Sie versagten vor dem Dänen- Tor mit dem superguten Schlußmann Petersen, und statt „normalen acht Treffern“, wie Bender anmerkte, schossen sie ein „versehentliches“ Tor durch Mazinho in der längst überflüssigen 89. Minute. Das hat Franz Beckenbauer weh getan. Wille und Engagement seien ja irgendwo dagewesen, meinte der Rekord-Nationalspieler, „aber bei uns waren Spieler dabei, die an Schülereinsätze erinnerten.“

Wer war gemeint? Der wirkungslose Sternkopf etwa, oder all die anderen, von Effenberg bis Labbadia, von Mazinho bis Wohlfarth, die sich vor des Gegners Tor wie blutige Anfänger anstellten? Personelle Veränderung in Defensive und Offensive sei erforderlich, stellte Beckenbauer fest: „Wir müssen schon jetzt anfangen, langfristig für die Zukunft zu planen.“ Die Rückkehr der Mailänder Brehme und vielleicht auch Matthäus spielt in dem Konzept sicher eine Rolle. Die kurzfristigen Perspektiven sehen dagegen düster aus.

In der rauhen Wirklichkeit der Bundesliga erwarten die Bayern am Sonnabend ohne den verletzten Thomas Berthold den Tabellenvierten und Minimalisten Bayer Leverkusen im Olympiastadion. Da müsse man sich „irgendwie durchwurschteln“, sagte Beckenbauer: „Mehr ist mit dem vorhandenen Spielermaterial derzeit nicht drin.“ Die Mannschaft sei auf dem Wege der Besserung, hat Manager Ulli Hoeneß in der Tatsache entdeckt, daß sie sich so viele Chancen erspielt habe. Der Ullrich wird immer mehr zum Schönfärber. Denn die Realität ist bitter. In der Bundesliga ist der Abstiegskampf näher als der Aufstieg, die Teilnahme im Europacup 1992/93 stark in Gefahr.

Der Rausschmiß aus der zweiten Runde des europäischen Klubwettbewerbs — schlimmer war's nur im Landesmeister-Pokal 1969/70, als man bereits in der ersten Runde an AS St. Etienne scheiterte — hat wirtschaftlich keine gravierenden Folgen.

Die in den kommenden Runden erhofften Millionen-Einnahmen sind verspielt, doch der Etat wird keinen Schaden nehmen. „Wir haben im Europacup zwei Millionen Mark angesetzt. Eine Million haben wir eingenommen. Das Loch können wir ausgleichen“, erklärte Schatzmeister Kurt Hegerich. Der FC Bayern, nur noch ein funktionierender Bank-Verein? Die Vertragsverlängerung mit dem automobilen Hauptsponsor zu verbesserten Konditionen (18 Millionen für drei Jahre) steht unmittelbar bevor. Nur sportlich droht der Konkurs. bossi

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