MIT DER GATT-RUNDE AUF DU UND DU
: Kippt Japans Reisimportverbot?

■ Nippons neuer Regierungchef auf Konzessionskurs

Tokio (taz) — „In der Reisfrage“, doziert Japans neuer Premier Kiichi Miyazawa nach einem Tag im Amt, „sollte Japan unternehmen, was dem Land möglich ist. Unsere Konzessionen werden davon abhängen, wie weit die Konzessionen der USA und Europas beim Import landwirtschaftlicher Produkte reichen.“ Kaum hatte Miyazawa diese Worte formuliert, kündigten Radio und Fernsehen die Sensationsmeldung an: das Reisimportverbot in Gefahr! Zwar hatte Miyazawa bei seiner ersten Pressekonferenz am Mittwoch alle Aspekte seiner zukünftigen Innen- und Außenpolitik erläutert, doch alles hörte nur auf zwei Schlagwörter: Reis und Konzessionen. Noch nie zuvor hatte ein japanischer Regierungschef gewagt, beide Begiffe in einem Satz vor heimischem Publikum auszusprechen.

Tatsächlich lassen die Aussagen Miyazawas deutlich erkennen, daß hier erstmals ein japanischer Kompromiß für die Genfer Gatt-Verhandlungen in Aussicht gestellt wird. Das japanische Reisimportverbot bedroht als ein bislang unberührter Sprengsatz die Verhandlungen. George Bush hatte schon während seines Spitzentreffens mit dem damaligen japanischen Premierminister Toshiki Kaifu im April das Reisimportverbot zum symbolischen Zankapfel zwischen den beiden großen Pazifikmächten erklärt. An keiner anderen Frage läßt sich Japan derzeit besser als jener „unfaire“ Handelspartner entblößen, für den immer mehr US- Amerikaner den fernöstlichen Nachbarn halten. Inzwischen drängt sich die Polemik stärker auf denn je, denn im September erlangte der japanische Handelsüberschuß ein neues monatliches Rekordvolumen.

Dies mag auch der Grund dafür sein, warum Miyazawa auf seinen konzilianten Ton noch am gleichen Tag harsche Antwort aus Washington bekam. George Bush sagte prompt seinen für Ende November geplanten Japan-Besuch ab. Er hat damit die gespannten japanisch- amerikanischen Beziehungen auf Eis gelegt. Miyazawa kann das nicht gefallen. Zwischen einem abweisenden US-Präsidenten und einer öffentlichen Meinung, die schon bei seinen ersten Worten zur internationalen Politik den Teufel heraufbeschwört, bleibt für Miyazawa wenig Handlungsspielraum. Georg Blume