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Pleiten-Skandal im Land des Drachens

Trotz Bankrottgesetzes werden Chinas Staatsbetriebe von der Führung kräftig weitersubventioniert  ■ Aus Peking Catherine Sampson

Unter tropischer Sonne quälen sich die Richter der Insel Hainan seit Wochen durch eine Pandorabüchse voller Pfuscherei, Eigensucht, Unfähigkeit und Politik. Sie haben keine leichte Aufgabe: Sie müssen den bislang schwersten Korruptionsskandal im kommunistischen China aufklären. Das Unternehmen, um das der ganze Fall kreist, ist die pleite gegangene „Hainan Overseas Chinese Remittances Material Supply Corporation“. Erst 1984 als Staatsbetrieb mit weniger als 200.000 Yuan Kapital ins Leben gerufen, baute sie ein kleines Imperium aus Seifen- und Möbelfabriken, Handelsfirmen und Joint-venture-Hotels zusammen. Ende 1990 besaß die Corporation ein Vermögen von 75 Millionen Yuan, schuldete aber 16 Kreditgebern 130 Millionen Yuan.

Die dunklen Geschäfte platzten, als drei Gläubigerbanken der Corporation ihre Konten sperrten. Die Corporation beantragte daraufhin beim Provinzgouverneur Liu Jianfeng die Erlaubnis, Bankrott anzumelden. Sie wurde erteilt, der Fall kam vor Gericht und entpuppte sich als geradezu exemplarisches Beispiel für die schwierige Lage bankrotter chinesischer Staatsunternehmen. Es entstand eine gewaltige Aufregung, die bald auch bis zur Zentralregierung hochschlagen dürfte. Angesichts der heiklen Anglegenheit wurden die Gerichtsprotokolle aber bisher in der offiziellen Presse verschwiegen.

Die chinesische Führung zitiert gerne Zahlen, um zu belegen, welch hohen Stellenwert sie der staatlichen Industrie beimißt. Die nur rund 10.000 mittleren und großen Staatsbetriebe stellen allein 45,6 Prozent der Gesamtproduktion her und sorgen für 60 Prozent aller Staatseinkünfte. In Peking wird jedoch heruntergespielt, daß über zwei Drittel der Unternehmen Verluste einfahren und lediglich mit beträchtlichen Subventionen am Laufen gehalten werden. Während eine kürzlich abgehaltene Arbeitskonferenz des Zentralkomitees den Betrieben weitere finanzielle Unterstützung versprach, reist Vizepremier Zhu Rongji durch das Land und drohte verlustbringenden Unternehmen mit der Schließung. Die Insel Hainan, eine der ärmsten Regionen Chinas, sollte seit 1988 zur größten Wirtschaftssonderzone des Landes aufgepäppelt werden. Investoren wurden Vorzugsbehandlungen angetragen; die Rückständigkeit der Insel und die Niederlage der Demokratiebewegung im Sommer 1989 hielt jedoch die meisten fern. Illegale Geschäfte grassierten; die Offiziellen in Hainan gelten mittlerweile als die korruptesten im Land. Korruption war bezeichnenderweise auch der Ausgangspunkt des Corporation-Skandals. Der ehemalige Generaldirektor Zhang Changbiao sitzt bereits in Haft. Mit Hilfe saftiger Bankdarlehen ließ sich Zhang auf dubiose Geschäfte mit zweifelhaften Partnern ein; gemeinsam ließen sie die Corporation ausbluten. Dabei hatten die Staatsbetriebe bereits Probleme genug: Nach der Durchsetzung der Austeritätspolitik Ende der 80er Jahre stapelte sich unverkaufte Ware in den Lagern; Unfähigkeit und Faulheit am Arbeitsplatz ist überall verbreitet.

Unter denen, die die Corporation gerne erhalten möchten, sollen Bankmanager sein, die sich zur Darlehensgewährung bestechen ließen und nun die Untersuchungen fürchten, die mit dem Bankrottverfahren eingeleitet werden. Wirtschaftsreformer dagegen halten es für notwendig, daß ein derart tief in korrupte Geschäftspraktiken verfangenes und auf niedrigstem Leistungsniveau wirtschaftendes Unternehmen sofort aufgelöst werden muß. Sie empören sich bereits über die Rettungsversuche. Chinas Bankrottgesetz, 1988 verabschiedet, legt fest, daß ein nichtrentables Unternehmen dicht gemacht werden kann. Die Reformer glaubten, nur so lasse sich Leistungsfähigkeit durchsetzen. Der blutige Sommer 1989 änderte alles: Die politischen Argumente für das Überleben der Staatsbetriebe verdrängten die ökonomischen Überlegungen. Premierminister Li Peng verkündete laut, was staatlich betriebene Unternehmen an Unterstützung bräuchten, sollten sie auch bekommen. Der Kurswechsel wurde nicht nur als billige Reaktion auf liberales Wirtschaftsdenken, sondern auch als Furcht vor sozialer Instabilität interpretiert. Die Staatsbetriebe versorgen ihre Mitarbeiter mit billigen Wohnungen, Kantinen, Kindergärten und einem Gesundheitssystem. Darüber hinaus entzieht jedes Wachstum im privaten Sektor mehr Menschen der unmittelbaren politischen Kontrolle der staatlichen Arbeitseinheit, mögen die Parteistrategen gedacht haben. Gerade die Zerstörung der Arbeitseinheiten würde den stärksten Arm der kommunistischen Macht vernichten — ein politisches Risiko, das die Hardliner fürchten.

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