Wieder mehr Arbeitslose im Osten

Arbeitsmärkte in Ost und West driften weiter auseinander/ Fast zwei von drei Arbeitslosen sind Frauen/ Düstere Aussichten, weil Altersübergangs- und Kurzarbeiterregelung auslaufen  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Die Arbeitslosenquote in den fünf neuen Bundesländern ist weiter gestiegen. 11,9 Prozent vermeldet die Statistik für den Oktober. Die Lage in der ehemaligen DDR sähe noch trostloser aus, würden nicht arbeitsmarktpolitische Instrumente den Arbeitsmarkt im Oktober um 1,94 Millionen Beschäftigte entlasten und damit — wie der Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, Heinrich Franke, betonte — den „sozialen Frieden erhalten“.

Angesichts des Auslaufens entsprechender gesetzlicher Regelungen zum Ende dieses Jahres forderte Franke die Wirtschaft auf, „jetzt zu investieren“. Die Wirtschaft dürfe „nicht auf das Instrumentarium der Bundesanstalt für Arbeit bauen“ und sich darauf verlassen, daß die Bundesanstalt ihr die „Arbeit abnehmen“ könne.

Insgesamt sind in den neuen Bundesländern im Oktober 1.048.527 Arbeitslose registriert worden, das sind 19.800 mehr als im Vormonat. Der Frauenanteil bei den Arbeitslosen beträgt mittlerweile 61,2 Prozent. Spitzenreiter in der Arbeitslosenstatistik sind Berlin-Ost (14,0%) und Mecklenburg-Vorpommern (13,6%), Schlußlicht ist nach wie vor Sachsen (10,7%). Der Großteil der etwa 200.000 bis 300.000 erwarteten Kündigungen zum Ende des 3. Quartals wurde aufgefangen von Fortbildungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Dazu kommen weiter anwachsende Wanderungsbewegungen von Ost nach West. Täglich pendeln mittlerweile ca. 500.000 Menschen von Ost nach West zu ihrem Arbeitsplatz, etwa 10.000 packen pro Monat in den fünf neuen Bundesländern endgültig ihre Koffer und siedeln in den Westen um. Der Arbeitsmarkt im Westen expandiert dementsprechend weiterhin. Mit knapp 29,8 Millionen Erwerbstätigen im September wurde der Vorjahresstand um fast 950.000 übertroffen.

Im sechsten Monat hintereinander ist die Zahl der Kurzarbeiter in der Ex-DDR zurückgegangen — knapp 1,2 Millionen Kurzarbeiter im Oktober bedeuten einen Rückgang gegenüber dem Vormonat von 134.000. Der durchschnittliche Arbeitsausfall beträgt inzwischen 56 Prozent. Die bislang für den Arbeitsmarkt stark entlastende Kurzarbeitersonderregelung für die fünf neuen Länder läuft jedoch Ende des Jahres ebenso aus wie das sogenannte Altersübergangsgeld. Angesichts dieser veränderten Konstellationen gehen Experten der Bundesanstalt davon aus, daß es Ende Dezember und Ende März „sprunghafte Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt“ geben werde und die zu erwartenden etwa knapp 600.000 „Bewegungsvorgänge“ sich „in einem höheren Maße als bisher in Arbeitslosigkeit umsetzen“ würden.

Dieser „hohen gesamtwirtschaftlichen Unterbeschäftigung“ im Osten steht laut Heinrich Franke eine „insgesamt gute Verfassung des Arbeitsmarktes West“ gegenüber. Die Arbeitslosigkeit ging im Oktober gegenüber dem Vormonat um 10.600 auf 1.598.959 zurück, die Quote beträgt 5,4 Prozent. Heinrich Franke warnte jedoch davor, Anzeichen einer „leichten Abschwächung der bisherigen Dynamik“ zu übersehen. So hat die Kurzarbeit im Westen spürbar zugenommen, auf derzeit 173.000, die Zahl der Stellenmeldungen und der Arbeitsvermittlungen ging zurück.

Franke dementierte entschieden einen Bericht der 'Süddeutschen Zeitung‘, wonach die Bundesanstalt für Arbeit mit „Falschgutachten“ nicht vermittelbare Stellenbewerber „zu Kranken stempeln“ und so aus der Arbeitsförderung herausnehmen und die Statistik schönen würde. Franke gab „Vollzugsdefizite“ angesichts der Größe seiner Behörde und des immensen Arbeitsaufwands in Einzelfällen zu, verwahrte sich jedoch gegen Verallgemeinerungen und dem Vorwurf, derartige Gutachten wären Teil der Politik der Bundesanstalt.