Maxwell-Gruppe von „Max-Factor“ befreit

■ Wegen exorbitanter Schulden war das Vertrauen in Maxwells Geschäftsgebaren schon länger gedämpft

Robert Maxwell galt als der achtreichste Mann Großbritanniens; doch gleichzeitig war er auf dem besten Wege, der Mann mit den höchsten Schulden zu werden. Laut 'Financial Times' lasteten Anfang des Jahres 3,3 Milliarden Pfund (9,6 Mrd. DM) Schulden auf dem gesamten Maxwell-Imperium. Nach Verkäufen der Fernsehbeteiligungen und dem Wissenschaftsverlag Pergamon Press sollen die Verbindlichkeiten auf zwei Milliarden Pfund heruntergegangen sein — was immer noch mehr ist als der Wert von Maxwells verbliebenen Hauptfirmen, der 'Mirror‘-Zeitungsgruppe (MGN) und der Maxwell Communications Corporation (MCC).

Maxwells Söhne Ian und Kevin, die ihr Vater im Juli in die Geschäftsführung aufgenommen hatte, müssen sich wohl zunächst an die Sanierung des unübersichtlichen Imperiums machen. Dabei dürfte ihnen der Tod des Vaters finanziell zum Vorteil gereichen: Spekulanten der Londoner City rechnen mit einem Anstieg der Kurse, weil der „Max-Factor“ nun nicht mehr auf den Kursen laste. Robert Maxwells Unberechenbarkeit hatte das Vertrauen in seine Firmen seit langem gedämpft.

So kreidete die 'Financial Times' dem Medienmagnaten an, er würde seine privaten Interessen zu sehr mit dem Geschäft verquicken. Mußte er denn unbedingt im letzten Jahr noch versuchen, den Londoner Fußballclub 'Tottenham Hotspurs' zu kaufen? Und zu seinen Problemen vor wenigen Wochen noch um eine serbische und eine kroatische Zeitung Verhandlungen führen? fragten sich Wirtschaftsexperten in London. Die kühlen britischen Geschäftsleute konnten nur schwer nachvollziehen, daß Maxwell sich nicht nur von Zahlen leiten ließ. Das brachte ihm oft Erfolg: Auch die Herausgabe der Biographien von Erich Honecker, Leonid Breschnjew und Nicolae Ceaucescu in den 80er Jahren waren ein gutes Geschäft für Maxwell, der immer, selbst nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag, für die Entspannungspolitik gegenüber den realsozialistischen Staaten eintrat.

1945 war er als Presseoffizier der Alliierten dem Verleger Friedrich Springer begegnet und hatte ihm beim Wiederaufbau seines Wissenschaftsverlags geholfen. Dafür konnte er später die Springer-Tochter „Springer und Butterworthy“ übernehmen, aus der er seinen Wissenschaftsverlag Pergamon Press aufbaute. 1968 wurden ihm jedoch Ungereimtheiten in der Bilanz nachgewiesen, das Unternehmen war praktisch pleite; dennoch hatten Konkurrenten die Pergamon-Aktien für 25 Millionen Pfund aufgekauft. Als sie feststellten, daß das Unternehmen ohne Maxwell nicht zu führen sei, schaffte er 1974 die Rückkehr für 1,5 Millionen Pfund.

Das Investieren aus dem Bauch heraus war in den letzten Jahren dann allerdings auch die Ursache für den geschäftlichen Niedergang: Maxwell war nach dem Zusammenbruch der DDR der erste Ausländer, der große Summen in ostdeutsche Medien investierte. Zusammen mit Gruhner+Jahr (50:50) kaufte er den Berliner Verlag, der unter anderem die 'Berliner Zeitung‘ und die 'Wochenpost‘ herausgibt. Seine Ankündigungen, bis zu vier Milliarden Mark in neue Zeitungen und Zeitschriften im vereinten Deutschland zu stecken, setzte er jedoch nicht um, im Gegenteil: Zahlreiche der in der Auflage zurückgegangenen Zeitschriftentitel des Berliner Verlages wurden eingestellt.

Während es ihm Mitte der 80er Jahre noch immer gelang, seine Neuerwerbungen schnell in die schwarzen Zahlen zu führen, hatte er sich in letzter Zeit übernommen: Die 'New York Daily News‘, die Maxwell erst im März erwarb, schreibt rote Zahlen. Eines seiner Lieblingsprojekte, die Wochenzeitung 'The European‘ soll pro Ausgabe 1,5 Millionen D-Mark Miese einfahren.

Als er 1984 sein heutiges Paradepferd, den 'Daily Mirror', die zweitgrößte Zeitung Großbritanniens, kaufte, avancierte das Mitglied der Labour Party schnell zum Buhmann der Gewerkschaften. Mit Abbau von 2.100 Arbeitsplätzen in den Zeitungen der Mirror-Group schaffte er es aber immerhin als erster, vor seinem Erzrivalen, dem konservativen australisch-amerikanischen Verleger Rupert Murdoch, die Kosten einer Fleet-Street-Publikation unter Kontrolle zu bringen. 1988 konnte er noch abschätzig über Murdoch lästern, daß der ja Milliarden Schulden bei den Banken hätte, er hingegen niemandem „einen Heller schuldig“ sei. Murdoch würdigte Maxwell gestern posthum als „einen bemerkenswerten Mann“. Donata Riedel