Japan für jeden

■ Das »Japan Festival '91« präsentiert traditionelle Kultur: Vom Trommelverein über die Teezeremonie bis zum Kampfspießverband

Sind die Haare gefärbt oder ist es eine Perücke? Auf archaisch anmutende Weise schlägt die Frau mit der weiß-blonden Mähne ihre Trommel. Anders ihre Mitspielerinnen: In ihren für asiatische Verhältnisse äußerst kurzen Kleidern wirken sie wie eine Mischung aus Amazonen und jenen Mädels, die am Rande amerikanischer Football-Games hüpfen. Diese hier aber trommeln ohne Ende und auf eine Weise, in der das europäische Ohr kaum eine Struktur zu erkennen vermag. Scheinbar unmotiviert vollführen sie einige Tanzschritte und greifen wieder zu ihren Schlagstöcken. So haben wir die japanische Frau noch nicht gesehen.

Im Programm-Beizettel erfährt der erstaunte Leser, daß es sich bei den 22 Trommlerinnen des »Sahoyama-Trommler-Clubs« ausnahmslos um »Erzieherinnen beziehungsweise Angstellte eines Kinderheims in der Stadt Nara, dem alten politischen und kulturellen Zentrum Japans« handelt. Neben etwa 1.300 weiteren Akteuren, die meisten Amateure, führen die Sahoyama-Girls während des dreitägigen Japan Festivals in Berlin '91 einem breiten Publikum vor, wie sehr die traditionellen Künste noch heute im Alltagsleben Japans gepflegt werden.

Angereist aus dem Fernen Osten kamen auf eigene Kosten: der »Wachi-Trommel-Traditionsverein«, der »Gesamtjapanische Kampfspießverband«, das Tokyoter »Mandolinen-Kammer-Ensemble«, etliche Kimono-Werkstätten und -Schulen sowie Gruppen, die die Koto, ein per Tasten gespieltes Saiteninstrument beherrschen: zu bewundern in der Komischen Oper.

Einer noch breiteren Palette traditioneller japanischer Künste wird das »Ausstellungszentrum am Fernsehturm« gehören. Neben den verschiedensten kunstgewerblichen Techniken hat das Publikum Gelegenheit, den »besten Reiswein (Sake) Japans« zu probieren oder an einer Teezeremonie teilzunehmen. Wie jedes Festival heutzutage, wird auch das Japan Festival »von einem in die Tiefe« gehenden Vortrag begleitet, der mit dem Thema »Der Esoterische Buddhismus und die japanische Kultur« über die Grundlagen des japanischen Geisteslebens informiert.

Moderne Kunstströmungen, wie der Butoh, bleiben ebenso ausgespart wie die soziale Realität des elektronischen Wunderlandes. [Das ist auch gut so, daß dieser Elektronik-Ramsch weg bleibt, davon haben wir schon genug importiert. Die fernöstliche Kultur und Spiritualität hat doch viel Interessanteres zu bieten als diese billige Materialschlacht - d.S.] Man setzt ganz auf die unbelastete Begegnung mit Tradition und Folklore — die, siehe oben, durchaus fremdartige Reize zu entfalten vermag. gam

Japan Festival in Berlin '91: Volkskunst in der Komischen Oper, heute 20 bis 22.30 Uhr, morgen 14 bis 16.30 Uhr und 20 bis 22.30 Uhr, Eintritt frei, Kartenbestellung unter Tel.: 2202761.

Ausstellung und Vorführungen im Ausstellungszentrum am Fernsehturm: morgen 10 bis 18 Uhr, übermorgen 10 bis 17 Uhr.

Buddhismus-Vortrag: morgen 14 bis 17 Uhr im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin, übermorgen 12 bis 15 Uhr in der Nicolaikirche.