Mantel ade!

■ Eine Austellung über den verschwundenen VEB-Regenmantel im Museum für Verkehr und Technik

Was die Marktwirtschaft so alles schafft: Nie wieder wird der Himmel weinen, statt dessen nur die Sonne scheinen. Oder wie erklärt sich das plötzliche Ende des vor der Wende durchaus erfolgreichen VEB Regenschutzbekleidung in der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg? Gab es vorher keine Regenschirme, oder haben sich die Menschen nach der Wende alle sofort ein Auto zugelegt? Die Wahrheit ist leider ganz banal und ein Beispiel für viele: Der VEB Regenschutzbekleidung zeigt die große Geschichte am Einzelschicksal, und das hieß auch hier Kündigung.

Als die Wende kam, war es mit der Auftragslage vorbei: Der »VEB Regenbekleidung« fertigte in der Hinterhoffabrik zum Beispiel die capeartigen Pelerinen in Tarnfarbe, die die Grenzer bei Wind und Wetter trugen, wenn sie den Transitverkehr kontrollierten: Da standen sie in ihren Umhängen, und man wußte nie, was sie dahinter im Schilde führten. Auch die Mäntel der Reichsbahner und Deutsch-Postler wurden hier genäht, in dezentem Blau und nicht unbedingt der letzte Schrei. Das Material überzeugt eher durch seinen Geruch als durch seinen Chic: Es riecht original wie früher.

Für die Zivilbevölkerung wurden Regenumhänge in Quietsch-Orange hergestellt, die Zweiradfahrer durchaus zu schätzen wußten. Nicht schön im landläufigen Sinne, dafür praktisch: nur ein Knopf war zu öffnen, und schon paßte das Ding über den Kopf. Die Nierengurte aus Leder wie die Brustbeutel und Schlüsseltaschen aus diesem edlen Material waren dagegen dem devisenreichen Export vorbehalen.

Alles in allem ein vorbildlicher DDR-Betrieb mit 75 zumeist weiblichen Arbeitskräften, der es in den letzten zehn Jahren bis zur Maueröffnung schaffte, seinen Gewinn um 500 Prozent zu erhöhen.

Das nutzte nach der Wende nichts mehr: Die Nachfrage brach ab und das rapide. Für die Grenzer-Uniformen ist das leicht zu verstehen, aber auch die einstmals so beliebten orangenen Regenumhänge waren plötzlich out: Westware war bei den Landsleuten angesagt, und für den Westexport waren ihre Produkte nach dem Wegfall der Subventionen einfach zu teuer: Im Juli 1990 hatte es sich dann endgültig ausgeregnet, der VEB-Regenschutzbekleidung schloß seine Pforten.

Die Ausstellung versucht, die letzten Spuren der einstigen Größe aufzuzeigen: Neben den Produkten sind die Bedingungen wichtiger, unter denen produziert wurde. 93 Prozent der Belegschaft bildeten Frauen, die zur Hälfte in Heimarbeit nähten. Zu sehen ist jetzt, was sich nach der Betriebsschließung noch alles in den ehemaligen Fabrikräumen anfand: Die Lohnbücher der Arbeiterinnen, die Prämien, die Absagen für die Ferienplätze oder die Notiz, wer wann mit einem Blumenstrauß bedacht werden mußte: eine Spurensuche nach Menschen, die in die Anonymität der Arbeitslosigkeit entlassen wurden. »Banner des Friedens« hießen ihre Nähmaschinen: In eben dem können sie jetzt ruhen — ohne Banner.

Denn die Marktwirtschaft bannt die Unbill der Natur auf höherer Konsum-Ebene: Regenmäntel, die trugen sie ja drüben. Doch seit es die drüben nicht mehr gibt, könnte er fast modern werden: Dem VEB Regenschutzbekleidung würde es nichts mehr nützen, denn alle Maschinen stehen still, wenn die Marktwirtschaft [oder ehrlicher: das Kapital — d.S.] es will. Lutz Ehrlich

Zu sehen im Museum für Verkehr und Technik, Trebbiner Str. 9, noch bis Februar 92.